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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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Lorbeeren in Empfang zu nehmen. Es blieb nur Burnin. Der brave
Burnin begann mit seiner Erziehung – nach Levi-Costar. Innerhalb
von fünf Jahren erreichte das Exemplar seine Reife. Es hieß
Foxor. Genauer: Charles Foxor. Burnin hatte es Igor taufen wollen, aber
Oxford… Sie verstehen, die Engländer sind Patrioten. So
auch Professor Iverson. Burnin bekam einen Lehrstuhl in Oxford. Charles
Foxor begann zu studieren. Nein, nicht Medizin! Physik! Später bin
ich Pilot geworden.«
Der unvermittelte Übergang zur ersten Person ließ ihn
erröten. Er hatte aufgehört, den Beobachter zu spielen.
»Sie sind also am Institut erzogen?«
»Am Institut? An der Universität Oxford, Lehrstuhl für
Biologie«, entgegnete er stolz. »Erzogen? Das ist nicht das
richtige Wort. Ich bin gezüchtet. Wie ein Meerschweinchen.«
Ich schwieg. Er betrachtete mich mit einem Lächeln.
»Sie wollen mich nicht als Ihren Artgenossen ansehen?«
fragte er. »Ich stamme vom Gibbon ab, und ich gebe es zu. Sie
haben keine Lust dazu. Nur ich allein stamme vom Affen ab. Sehe ich
Ihnen ähnlich?«
Er beugte sich vor.
»Ich weiß nicht…«, begann ich, aber er fiel mir ins Wort.
»Schon gut«, sagte er. »Schon gut. Ich habe das oft
genug gehört. Man sucht immer besondere Eigenschaften an mir. Es
ist manchmal schon so weit gekommen, daß man meine Augen für
typische Affenaugen erklärt hat, die Hände, die Lider und so
weiter, alles äffisch. Sicherlich wurde auch was festgestellt.
Also müßte man mich in einen Käfig stecken und
herumzeigen! Made in Oxford…«
»Aber Sie…«
»Aber ja!« schrie er. »Ich empfinde wie ein Mensch!
Ähnlich wie ein Mensch! Fast wie ein Mensch! Ich bin ein sehr
gescheiter Affe, nicht wahr? Und Sie sind ein Mensch, vom Urururahn
aufwärts. Vielleicht stammen Sie von den alten Römern ab?
Vielleicht von Wilhelm dem Eroberer? Aber ich weiß
hundertprozentig, daß ich vom Affen abstamme. Und Sie wissen es
auch. Alle in Oxford wissen es. Zumindest die Dozenten und Professoren,
die sich daran erinnern. Und Burnin und Iverson. Vom Gibbon, vom
Urgibbon, einem ehedem lebenden Säugetier.«
»Sie regen sich ganz unnötig auf«, sagte ich, weil ich
nicht wußte, was ich anderes sagen sollte. Ich fürchtete, er
könnte in Gelächter ausbrechen. Aber er faßte sich
schnell wieder.
»Okay«, knurrte er. »Ich wollte Ihnen nur erklären… Ach, Schwamm drüber.«
Er lehnte sich bequem im Sessel zurück.
»Und was ist mit Burnin?« fragte ich.
»Vor fünf Jahren gestorben. Jugovitsch entsiegelte das
Material. Die Arbeiten wurden abgebrochen. Als Gegenleistung war ich
mit Vandenberg einverstanden. Mit dem Mars, Jupiter, Tau Walfisch. Ich
werde Astronaut sein, Pilot. In hundert Jahren kehre ich auf die Erde
zurück. Ich, Charles Foxor, Made in Oxford. Vielleicht gibt es
Oxford dann nicht mehr? Dann würde ich meinen Namen in Foxor of
Oxford ändern.«
Er sagte das gelassen, sehr gelassen, mit dem Anflug eines Lächelns.
»Sie gehören zur Besatzung der
›Bonnie‹?« fragte ich gespannt. Der Passagier eines
englischen Raumschiffs! Das war interessanter als die verrückten
Reminiszenzen.
»Noch fünfzehn Minuten bis zur Endstation Dublin!«
schnarrte es im Lautsprecher. »Wir beginnen mit dem
Bremsmanöver. Achtung!«
Die Turbinen kreischten auf.
»Ganz recht, zur ›Bonnie‹-Besatzung. In hundert
Jahren komme ich wieder und treffe Iverson nicht mehr an. Vielleicht
auch Oxford nicht. Vielleicht gibt es einen Krieg, und Oxford wird dem
Erdboden gleichgemacht. Oh, sorry, ganz Oxford möchte ich gar
nicht. Davis war anständig, nur Burnin und Hermann… Nun,
und Iverson… Dieser alte Iverson, ich war mit ihm per
›du‹, plus Anrede Doktor. Einmal hat er versucht, seinem
Assistenten Elektroden einzumontieren und sein Gehirn zu steuern, er
hatte ein Verfahren deswegen. Nicht so wichtig übrigens.«
Wir hielten, die Tür ging auf. Licht strömte ins Wageninnere.
Die blauen Bahnhofslampen brannten. Ich stieg aus, mein
Reisegefährte mit mir.
»Sie fliegen von hier?« fragte ich.
Er nickte.
»Mit einer Sonderrakete«, sagte er. »Von hier aus zum ersten Mal. Ich habe keine Ahnung…«
Plötzlich grölte der Lautsprecher: »Herr Charles Foxor
wird zum Raketenteil, Pavillon vier, gebeten. Ich wiederhole, Herr
Charles Foxor, Raketenteil, Pavillon vier.«
Er blickte sich hilflos um. Das blaue Lampenlicht verlosch hier und da. Das Deckengewölbe schimmerte in streifigem Blau.
»Ich bringe Sie hin«, bot ich ihm an.
Er sah mich dankbar an.

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