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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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Ringen, die Leidenschaft, die Flucht in die Einsamkeit, das
unbegreifliche, gedankenlose Vorsichhinstarren – all das ist mit
einem einzigen Wort erklärt: Liebe.
    Anfangs verbarg er vor ihr seine Gefühle; doch
eines Tages kam die entscheidende Aussprache, und sie bedeutete das
Ende seiner Hoffnungen. Das Mädchen schätzte und achtete ihn,
aber sie liebte ihn nicht. Monatelang sah er sie nicht, und –
sonderbar – er dachte kaum an sie. Nur hin und wieder, wenn er
nachts im Schein der Lampe an seinem Schreibtisch saß und
über seiner Arbeit brütete, glitt sein Blick in einer
Ruhepause zwischen zwei Problemen über die weißen Bogen und
den Rand des Tisches hinweg, dorthin, wo das Dunkel begann, leer,
öde und schwarz wie der Weltraum. Dann überfiel ihn das Leid
so jäh, so stark, daß ihm das Atmen schwer wurde. Er sank in
sich zusammen, vertiefte sich in seine Berechnungen, wiederholte, ohne
recht zu begreifen, die letzten Formeln und Zahlen.
    Ein Studienjahr nach dem anderen ging dahin. In
einer Zweigstelle des Astronautischen Instituts beendete Pjotr seine
Diplomarbeit und kehrte auf die Erde zurück, um sie seinem Lehrer
Dyaadik zu überreichen. Er wollte noch an demselben Tage
zurückfliegen, traf aber einen älteren Kollegen, der ihm halb
im Scherz vorwarf: »Es ist nicht schön von dir, daß du
dich bei uns nicht mehr sehen läßt. Mein Töchterchen
wartet noch immer auf das versprochene Märchen.«
    »Wenn ich der Kleinen versprochen habe, eins
zu erzählen, dann entschuldige mich bitte bei ihr und sag ihr,
daß ich morgen komme«, antwortete Pjotr.
    Da er bis zum Abend einige Stunden Zeit hatte, ging
er in den großen Park des Instituts. Dort begegnete er dem
Mädchen, das er vor zwei Jahren zum letzten Mal gesehen hatte. Sie
freute sich sehr und schlug ihm einen gemeinsamen Ausflug in ein nahe
gelegenes Naturschutzgebiet vor. Den ganzen Nachmittag wanderten sie
über die Heide. Das Mädchen pflückte einen großen
Strauß Blumen. Endlich ließen sie sich, vom Weg
ermüdet, auf dem grasbedeckten, sonnenwarmen Südhang eines
Hügels nieder, um auszuruhen. Die Sonne ging unter, und ein erster
kühler Lufthauch, der die Nacht ankündete, rauschte durch das
Laub. Plötzlich erleuchtete ein beinahe unerträglicher Glanz
den nordöstlichen Himmel. Ein blendender Lichtstrahl schoß
zu den Wolken empor und verschwand. Geraume Zeit später vernahmen
die beiden ein wachsendes Dröhnen, es klang wie der Donner fernen
Gewitters.
    »Das war die letzte Mondrakete«,
unterbrach das Mädchen das Schweigen. »Sie ist ohne dich
abgeflogen. Bleibst du morgen noch auf der Erde?«
    Er antwortete nicht. In der nächtlichen
Finsternis verschwamm das Gesicht des Mädchens wie ein Bildwerk,
das von dunklem Wasser umspült wird. Eine Weile noch leuchtete ihr
Antlitz wie ein phosphoreszierender Fleck, dann erlosch es ganz. Die
Nacht trennte die beiden, so daß er nicht mehr wußte, ob
unter dem Gebüsch neben ihm ein zweites lebendes Wesen war. Er
schwieg, als fürchtete er, ins Leere zu sprechen. Reglos saß
er da, nur sein Blick irrte umher. Selbst die Luft schien sich in eine
unwägbare Substanz verwandelt zu haben, die mit schwarzen
Fäden alles zu formlosen Schemen verspann. Nur das Flüstern
des unsichtbaren Laubes verriet ihm, daß Leben rings um ihn war.
In dem leichten Rauschen lag etwas unsagbar Gleichgültiges und
zugleich Grausames.
    Lange herrschte das lastende Schweigen.
Schließlich traf ein lautes Rascheln sein Ohr. Sie stand auf.
»Wir müssen gehen, es ist spät«, sagte sie mit
gedämpfter Stimme, als wäre ein Fremder in der Nähe, der
ihre Worte nicht hören sollte.
    »Schade, daß ich keinen Helioplan
genommen habe. Wir könnten nun gleich zurückfliegen«,
erwiderte Pjotr und erhob sich ebenfalls.
    »Ach, das macht nichts… Aber –
sag mal, Pjotr, aus welcher Richtung sind wir eigentlich gekommen? Ich
weiß es nicht.«
    »Wir müssen uns nach den Sternen
orientieren und eine Station des Vakuumexpreß suchen. Die Linie
verläuft hier in der Nähe. Komm, gehen wir. Siehst du den
Großen Bären? Dort, weiter oben, ist der Polarstern.«
    Bald standen sie auf einer sanft geneigten, kahlen
Kuppe, dem Gipfel des Hügels. Das schwache Flimmern der Sterne
vertiefte die Dunkelheit. Als sie die Richtung festgestellt hatten,
stiegen sie den Hang hinunter. Ihre Füße versanken in dem
hohen, taufeuchten Gras, das unter ihren Schritten raschelte und
knisterte.
    »Hast du schon gehört«, fragte
sie, »daß kein

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