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Das Molekular-Café

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Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: diverse Autoren
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irgendwo in den afrikanischen Steppen
lebte, und rekonstruierten sie. Doch das brachte sie nicht viel weiter.
Dann packten sie die Sache von einer anderen Seite an: Sie untersuchten
den Stammbaum des Gibbon. Bekanntlich ist der Gibbon nicht der
intelligenteste unter den Affen. Man nahm also an, er stünde
seinem Vorfahren am nächsten.«
Er brach ab und sah mich wieder an.
»Ich sehe, Sie verstehen nicht, warum ausgerechnet der Gibbon.
Davis ging es darum, daß der Schimpanse sozusagen an der Spitze
der Anthropoiden steht. Der Gorilla und der Orang-Utan stehen etwas
darunter, folglich muß auch ihr Evolutionsweg kürzer gewesen
sein. Und am kürzesten und wenigstens intensiv war die Entwicklung
des Gibbon. Man knöpfte sich also den Gibbon vor. Mit Mühe
gelang es, seinen vermeintlichen Vorfahren zu rekonstruieren. Man
beschloß, die Evolution zu überprüfen. Mit der
HermannMethode, der sogenannten Keimkorrekturmethode, begann man den
Gibbon zu entwickeln. Auf diese Weise kamen wir beim Schimpansen an.
Das Experiment war geglückt. Davis triumphierte. Jetzt blieb nur
noch die Erschaffung des Menschen übrig. Die Bedingungen
mußten entsprechend verändert und dem armen Urgibbon
intravenös bestimmte Hormone eingeimpft werden. Im übrigen
habe ich nie etwas davon verstanden. Man wollte die
Empfänglichkeit gegenüber Veränderungen der Erbanlagen
steigern und diese Anlagen künstlich verändern. Aber das
schlug fehl.«
Ich zog die Brauen hoch.
»Jaja, es schlug fehl. Der Urgibbon war eben kein Urmensch, die
Evolutionswege hatten sich noch früher getrennt, der Ururgibbon
müßte gefunden werden. Aber Davis und Hermann kamen nicht
gleich darauf. Sie dachten, wir würden vielleicht eher vom
Urgorilla abstammen und der Urgibbon wäre nicht der Urgorilla, die
Evolutionswege wären anders und hätten sich noch früher
aufgespalten. Die Sache wurde dann so kompliziert, weil es sich genau
umgekehrt verhielt.«
»Und?«
»Nichts weiter. Später stießen sie auf den richtigen
Weg. Doch als sie nur noch einen Schritt von der Lösung entfernt
waren, mischte sich die Kommission von Jugovitsch ein. Sie redeten
von… Wovon sollten sie schon reden? Von
Verantwortungsbewußtsein! Verbrechen! Selbst im Namen der
Wissenschaft sei es nicht erlaubt!«
»Und Ihre Meinung?« fragte ich. »Hatten sie recht?«
Er lächelte.
»Das kommt darauf an«, erwiderte er. »Ich glaube
schon. Aber Davis… Davis’ Ziel war es, einen
künstlichen Menschen zu schaffen. So nannte er es. Purer Unsinn.
Einen künstlichen! Ein Stück Vieh ist es, weiter
nichts.«
Er schwieg still und holte tief Luft.
»Davis hätte sich übrigens schon auf seinen Lorbeeren
ausruhen können«, sagte er nach einer Weile. »Aber
Hermann beschloß, jung – und schwach in Philosophie –
wie er war, immer weiterzugehen, und sei es über die Leichen von
Pförtnern, Laboranten und Versuchsexemplaren. Die Experimente
wurden fortgesetzt, und Oxford protestierte nicht. Jugovitsch nannte
man den k. u. k.-Menschenfreund. Die Engländer mögen
Ausländer nicht. Jugovitsch konnte nichts ausrichten. Nebenbei
bemerkt, war das nicht mal das Schlimmste…«
»Sondern?« fragte ich.
Er seufzte und beugte sich in seinem Sessel vor.
»Was das Schlimmste war? Burnin. Doktor Burnin. Er beendete
damals gerade sein Werk über die Erziehungstheorie. Er war nach
Levi-Costar vorgegangen, was er im übrigen nicht gleich zugab. Sie
wissen schon, was aus dieser Theorie geworden ist. Die ganzen Maschinen
hat Burnin mit Hermann zusammen ausgeheckt. Sie haben Bezeichnungen wie
Folterwerkzeuge, ›HermannscherStrecker‹ zum Beispiel. Davis war nicht so…«
    Ich nickte.
»Davis war nicht so«, wiederholte er. »Er wollte das
Kind normal erziehen lassen. Es hatten sich sogar Professoren gemeldet.
Doch was soll’s? Davis ist vor siebzehn Jahren gestorben. Er hat
seine Versuche nicht abschließen können. Hermann und Burnin
hatten bis dahin keine Widersacher gehabt. Sie beschlossen, das Kind
nach der Burnin-Methode zu erziehen, der besseren Kontrolle wegen. Sie
machten den Leuten weis, sie wollten keinen Menschen, sondern einen
Neandertaler schaffen. Da hätte man aber Hermann nicht kennen
dürfen, um das zu glauben.«
Er reckte sich und lächelte.
»Vor fünfzehn Jahren war der historische Augenblick
gekommen, Sir. Man nahm den ersten Menschen in Betrieb, von A bis Z im
Laboratorium hergestellt. Einen Monat später verunglückte
Hermann über dem Atlantik. Er war auf dem Wege nach Amerika, um
seine

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