Das Mordkreuz
Fenster blieb er stehen und blickte hinaus. Mit Heinlein im Rücken sinnierte er über die möglichen politischen Auswirkungen auf die Würzburger Justiz. «Kein Wunder, dass der Gerichtspräsident so sehr an der Aufklärung der Fälle interessiert ist. Können Sie sich vorstellen, welches Licht das auf Würzburg wirft?
Staatsanwalt und Richter in Kölner Klüngel verstrickt.
Das ist Stoff für die Revolverblätter.»
«Ich habe nicht die Absicht, die Medien davon in Kenntnis zu setzen.»
«Unterstehen Sie sich», grollte der Polizeipräsident.
Nachdem er sich beruhigt hatte, kehrte Ernüchterung ein. «Was soll’s. Früher oder später werden sie es doch erfahren.»
«Wir könnten die Aufmerksamkeit auf andere Aspekte lenken.»
«Ach ja? Welche denn? Wenn das so weitergeht, dann kommen unter Umständen noch ganz andere Dinge an die Oberfläche. Nein, das reicht vollkommen.»
Am Ende einer langen Pause wagte Heinlein weitere Anweisungen zu erfragen. «Wie geht es nun weiter?»
Der Polizeipräsident wägte seine Antwort gut ab. «Es hilft nichts. Sie machen weiter, ohne Rücksicht auf Namen und Köpfe. Am Ende macht man uns sonst noch den Vorwurf, Straftaten vereitelt zu haben. Die Suppe hat der Gerichtspräsident selbst auszulöffeln. Soll der das mit den Herren in München klären. Wir lassen uns nichts zuschulden kommen.»
«Werden Sie noch mit ihm sprechen?»
«Sicher. Ich ruf ihn gleich an.» Er überlegte es sich besser. «Nein, das gehört nicht ans Telefon. Ich fahre bei ihm vorbei und spreche mit ihm persönlich. Auf sein Gesicht bin ich gespannt. Besonders, wenn er mir beibringen will, wieso er diese Sauerei so lange für sich behalten hat.»
Für Heinlein waren die Unterhaltung und sein täglicher Rapport damit beendet. Doch der Polizeipräsident rief ihn zurück. «Wie läuft es eigentlich mit Ihnen und Kilian?», fragte er hintergründig.
Heinlein stutzte. «Gut. Gibt es Beschwerden?»
«Nein, überhaupt nicht. Ich wollte nur mal hören, ob sich unser Weltenbummler mit seiner neuen Situation abgefunden hat.»
«Er ist ein wertvoller Mitarbeiter für mich und die Abteilung.»
«Das freut mich zu hören. Und, haben Sie sich schon an die neue Aufgabe und die Verantwortung gewöhnt?»
Daher wehte also der Wind, dachte Heinlein. Die Frage nach Kilian war nur die Eröffnung für das eigentliche Thema. Bevor er antwortete, räusperte er sich und überlegte genau, was er darauf erwidern würde. «Es ist eine neue Herausforderung. Ich denke, ich werde sie meistern, wie alle vorangegangenen.»
«Das ist gut», antwortete der Polizeipräsident, der einenunheilschwangeren Unterton nicht vermeiden konnte. «Sie werden diesen Mut noch brauchen. Machen Sie reichlich Gebrauch davon.»
«Liegt etwas in der Luft?»
«Nein, nichts Aktuelles.» Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch und vertiefte sich in die Arbeit.
Heinlein war hin- und hergerissen, ob er auf die Anspielung eingehen sollte. Die Gelegenheit schien günstig, doch der Moment unpassend.
«Morgen wieder, zur gleichen Zeit», sagte der Polizeipräsident, ohne aufzublicken, und beendete damit die Audienz.
Das Grummeln in Heinleins Magengrube wollte sich bis ins Büro nicht legen. Was hatte der Alte nur damit gemeint? Trieb jemand hinter seinem Rücken ein Spiel mit ihm? War er jemandem auf die Füße getreten, ohne es zu wissen? Oder hatte die Anspielung etwas mit seinem Sohn Thomas zu tun?
Er würde Kilian darauf ansprechen. Und Sabine. Vor allem sie. Sie wusste immer, was hinter den Kulissen gespielt wurde.
Als er das Büro betrat, fand er sie telefonierend vor. Nicht geschäftlich, sondern mit einem Freund oder einer Freundin quasselnd. Was eigentlich ein Grund für den nächsten Anschiss gewesen wäre, ließ er dieses Mal ungeahndet. Er übte sich in Geduld, schenkte sich ein Glas Wasser ein und wartete unruhig, bis sie den Hörer aufgelegt hatte.
Als es so weit war, rief er sie zu sich herüber. «Setz dich», sagte er, um Freundlichkeit bemüht. Doch genauso wenig, wie es dem Polizeipräsidenten vor ein paar Minuten gelungen war, drohendes Unheil aus seiner Stimme zu verbannen, so scheiterte auch er in diesem Moment mit seiner bemüht unbefangenen Art.
«Is was?», fragte sie unsicher.
«Nein, was soll sein?»
«Du hast mich noch nie gebeten, bei dir Platz zu nehmen.»
«Dann wird es höchste Zeit.»
«Also, rück raus mit der Sprache. Was passt dir heute nicht? Trage ich die falschen Klamotten, schmeckt der Kaffee
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