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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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ohnehin noch erfragen wollte. Als er den Bauwagen erreicht hatte, sah er auf dessen schattiger Rückseite die Bauarbeiter im dürren Gras sitzen. Daneben ein Kübel mit Eis und eine Handvoll Bierflaschen darin.
    «Hallo, die Herren», sagte Kilian. «Haben Sie ein kühles Blondes zu verkaufen?» Er zückte einen Fünfer.
    Ein völlig verschwitzter und mit Baustaub überzogener Mann nahm ihn. «Für zahlende Gäste immer. Greifen Sie zu.»
    Kilian setzte die Flasche an. Zu seiner Überraschung schmeckte ihm, dem Weintrinker, das Bier noch nicht einmal schlecht. Aber vielleicht lag es auch nur an der Abkühlung. «Das habe ich jetzt gebraucht», sagte er, als er die Flasche abgesetzt hatte. «Wie können Sie es nur bei dieser Hitze im Freien aushalten, geschweige denn arbeiten?»
    «Mit Kraft und Technik», antwortete einer und rieb sich seinen Bauch, ein anderer verwies auf die Wichtigkeit des Bauvorhabens. «Meine Tochter macht nächstes Jahr das Abitur. Danach will sie hier studieren. Einen sinnvolleren Job hatte ich schon lange nicht mehr.»
    «Was soll denn hier entstehen?»
    «Irgendwas mit Chemie.»
    «So ein Käs’, für die Chemiker natürlich», korrigierte ein anderer.
    «Und, wie liegen Sie in der Zeit?»
    «Jetzt fängt der auch noch an», protestierte einer, «hat dich vielleicht der Wilde geschickt?»
    «Um Gottes willen, nein. Der hat damit gar nichts zu tun. Aber wenn wir schon dabei sind: Wie macht er sich denn so, der Herr Bauingenieur? Ich habe den Eindruck, dass alle mächtig unter Druck stehen.»
    Die Frage verunsicherte die Bauarbeiter. Sie kannten den Fremden nicht. «Warum interessiert Sie denn das?»
    Kilian sagte, er sei Kripobeamter, und gab vor, in Sachen Schwarzarbeit am Bau zu ermitteln, was die durchweg deutschen Arbeiter beruhigte.
    «Der Wilde ist, wie sein Name schon sagt, etwas wild», äußerte sich jemand verhalten.
    «Was meinen Sie mit
wild

    «Na ja, aufbrausend.»
    «Da gibt es Schlimmere», widersprach ein anderer.
    «Der ist viel zahmer geworden», ergänzte der Nächste, «im Vergleich zu früher.»
    «Das liegt am Tod seiner Frau. Seitdem merkt er, dass er mit seiner Schreierei genau das Gegenteil bewirkt.» Kilian horchte auf und gab sich schwer von Begriff. «Verstehe ich nicht. Was hat es damit auf sich?»
    «Ich habe ihn vor einem Jahr mal erlebt, wie er auf dem Parkplatz dort drüben mit seiner Frau gestritten hat. Sie hat ja in der Bibliothek gearbeitet, und so sind sie sich täglich begegnet. Da ging’s ganz schön zur Sache, mein lieber Herr.»
    «Haben Sie verstanden, worum sich der Streit drehte?»
    «Nicht genau, wir waren mit den ersten Aushubarbeiten beschäftigt. Irgendetwas mit Irland und einer Reise, glaube ich. Er konnte nicht mit, und sie wollte ihn nicht dabeihaben. Dann hat er es ihr verboten, aber sie hatte sich nicht einschüchtern lassen. Zum Schluss hat er auch hingelangt.»
    «Er hat sie geschlagen?»
    «Ja, und dabei hat er einen hochroten Kopf bekommen. Genau so, wie wenn er bei uns seine Schreianfälle bekommt. Ein richtiger Kolerer halt.»
    «Choleriker heißt das», wurde er korrigiert.
    «Wie hat sich das ausgedrückt? Ich meine, wann und wieso wurde er denn cholerisch?»
    «Zu jedem noch so idiotischen Anlass. Da brauchte es keinen Grund und keinen passenden Zeitpunkt. Wenn ihm etwas nicht in den Kram gepasst hat, dann ging’s aber ab, mein Lieber. In der Haut seiner Frau hätte ich nicht stecken wollen.»
    «Das war also kein einmaliger Zwischenfall auf dem Parkplatz?»
    Ein anderer meldete sich zu Wort. «Beim Brotzeitholen habe ich ihn mit seiner Frau und den Kindern im Auto erlebt.Dort drüben beim Supermarkt war’s gewesen. Die haben ganz schön aufgedreht.»
    «Können Sie sich noch daran erinnern, wann das war?»
    «Das war», bemühte er sein Gedächtnis, «irgendwann im Herbst. Ja, genau. Wir sollten Schlechtwetter haben, aber der Wilde hat durchgesetzt, dass wir im strömenden Regen arbeiten. Weißt du noch, Karl-Heinz, das war, als du in die Baugrube gerutscht bist und fast ersoffen wärst.»
    «Stimmt», bestätigte Karl-Heinz. «Dann hätt ich ihn aber aufgeknüpft, den Wilde.»
    «Wie denn, wenn du abgesoffen wärst?»
    Allgemeine Heiterkeit erfasste die Runde. Nur Kilian konnte nicht mitlachen. Den Eindruck eines cholerischen Schlägers hatte Wilde bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nicht gemacht. Im Gegenteil, er war ruhig und gefasst. Vielleicht ein wenig zu sehr.

39
    Für Heinlein war die Hitze im Maintal

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