Das Mordkreuz
unerträglich geworden. Er musste unbedingt raus hier, irgendwohin, wo am ehesten mit einem Windhauch zu rechnen war. Kilian befand sich noch oben am Hubland, war auf dem Weg zum Italiener. Ja, dort war es schattig, dort konnten sie sich treffen.
Nachdem er den Wagen im Schatten geparkt hatte, lief Heinlein die wenigen Meter durch den Hain, in dem das La Pineta lag. Es war zwar nicht wie erhofft merklich kühler hier oben, aber das kleine Wäldchen schenkte einem zumindest die Illusion gemäßigter Temperaturen. Der Hockeyplatz war wie vermutet verwaist und Kilian der einzige Gast auf der Terrasse. Beste Umstände für ein ausführliches Gespräch.
«Willst du noch etwas essen?», fragte Kilian. «Den Salat kann ich empfehlen.»
«Nein, danke», lehnte Heinlein ab. Nach seinem Auftritt in der Kantine des Versorgungsamtes war ihm heute nicht mehr nach fester Nahrung zumute. Er bestellte sich eine Weinschorle mit extra viel Eiswürfeln.
«Was gibt es so Dringendes», fragte Kilian und steckte sich ein Zigarillo an, «das wir nicht heute Abend besprechen könnten?»
«Ich habe die kryptische Botschaft auf dem Steinkreuz entziffern können», antwortete Heinlein und berichtete von seinem Gespräch mit Willibald Kremer. Je mehr er von Rós Fódhla und Irland erzählte, desto aufmerksamer wurde Kilian. Es korrespondierte mit den Informationen, die er von Rosie Wildes Freundin in der Universitätsbibliothek erhalten hatte.
«In Irland liegt der Schlüssel für unsere Fälle», resümierte Kilian. «Wie sonst kommt so eine Inschrift auf ein Steinkreuz in unmittelbarer Nähe zum Unfallort Rosie Wildes, die ein paar Monate zuvor ihre Liebe zu Irland entdeckt hat.»
Nun war es an Kilian, von seinen Gesprächen zu berichten. So fügten sich die losen Enden dieses Beziehungsgeflechtes bei Heinlein zusammen. «Rós Fódhla und Rosie Wilde», sagte er. «Was meinst du? Ein und dieselbe Person?»
«Der Verdacht liegt nahe. Wer könnte uns darüber Aufschluss geben? Gerald Wilde?»
«Wohl kaum. Der wollte ja noch nicht einmal von der Existenz dieses Kreuzes gewusst haben. Wie sieht es mit dieser Freundin aus? Die beiden waren doch ziemlich eng.»
«Ja, ich denke, die könnte etwas wissen. Allerdings stellt sich uns die Frage: Wer hat dieses Kreuz anfertigen und aufstellen lassen?»
«Und wer versorgt es mit frischen Blumen?»
«Wilde scheidet wohl aus, sofern er uns nicht belogen hat. Und wenn es stimmt, dass es in der Zeit vor ihrem Tod zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden gekommen ist, dann sollten wir eine dritte Person ins Auge fassen.»
«Mann oder Frau?»
«Erst mal unwichtig. Jemand, den Wilde nicht akzeptieren konnte …»
«… weil er eine Gefahr für ihn darstellte …»
«… dem Rosie Wilde jedoch zugetan war und den sie nicht aufgeben wollte …»
«… der um sie trauert …»
«… der sich offensichtlich gut mit der irischen Kultur auskennt …»
«… und der ein Kreuz für sie errichtet hat.»
«Kann man das von Irland aus machen oder lebt dieser Jemand in Deutschland, vielleicht sogar in unmittelbarerNähe zu diesem Steinkreuz, um es mit frischen Blumen zu versorgen?»
«Und wenn wir schon dabei sind: Ist es derselbe Jemand, der Zinnhobel und Mangel getötet hat?»
«Richtig, da er sich mit Steinkreuzen und Bildstöcken offensichtlich gut auskennt.»
«Nicht nur das. Er kennt die mainfränkische Sagenwelt und verknüpft sie mit den Bildstöcken und den Opfern.»
«Nicht zu vergessen das Mariannenkreuz in Rheinland-Pfalz, wo Frank Wuhlheide verunglückt ist.»
«Oder ermordet wurde.»
Auf diesen Fluss an Gedanken folgte ein Moment der Sammlung. «Und was ist mit dieser Weißen Frau?», fragte Heinlein in die Stille. «Wie passt sie in diese Geschichte?»
«Rosie Wilde hielt ihre Großmutter für eine Weiße Frau», antwortete Kilian, «die sie beauftragt hatte, es ihr gleichzutun.»
«Eine Wachablösung?»
«So etwas in der Art. Das sei der Grund gewesen, wieso sie überhaupt nach Irland gereist ist. Sie wollte mit Augenzeugen sprechen, die eine Banshee gesehen oder gehört haben.»
«Und wen traf sie stattdessen oder gar in Personalunion?»
«Das ist die Frage.»
Heinlein grübelte. «Haben wir schon ein Motiv?»
«Bevor wir darüber spekulieren, sollten wir uns nochmal mit dieser Freundin unterhalten.»
Kilian rief den Kellner. Diese Frau Hartmann hatte ihm nicht alles erzählt.
40
Nicht nur vierzig Prozent der Bundeswehrsoldaten
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