Das Mozart-Mysterium
Angestellter. Selbst ein hochgebildeter Mensch, kundig neben Haushaltsdingen auch in allerlei Künsten und der Philosophie, war er Mozarts Gesprächspartner bei manchen Entscheidungen gewesen und hatte dadurch einen recht guten Einblick in die wichtigen Angelegenheiten.
Die recht einträgliche Stellung ermöglichte dem Adlatus Franz durchaus gepflegte Kleidung, gerne trug er trotz der handwerklichen Verpflichtungen des Haushaltes rote Jacken mit edlen geometrischen Stickereien. Er war auch für unsere Kutschfahrt in Mozarts kleinem Einspänner etwas zu fein gewandet und strahlte trotz aller Unterwürfigkeit eine gewisse Würde aus.
Die Fahrt war, auch wegen des schönen sonnigen Wetters, trotz kühlen Windes und recht langer Wegstrecke wenig beschwerlich. So konnte ich, nachdem wir die umtriebige Stadt verlassen hatten, die landschaftlich reizvolle Umgebung auf mich wirken lassen und genießen.
Der Adlatus verwickelte mich in allerlei kurzweilige Gespräche und erkundigte sich freundlich nach dem Fortgang unserer Untersuchungen, deren Natur er scheinbar nicht genau kannte. Mozart hatte ihm gegenüber bisher nur die allernotwendigsten Dinge berichtet, da Mizler in seinen Mitteilungen auf Verschwiegenheit beharrt hatte.
Es war also umso schwieriger für mich, den bohrenden Fragen des Adlatus Genüge zu tun, ohne alle Geheimnisse des Maestros preiszugeben. Der Adlatus wusste aber bereits von der Societät und deren Interesse an Mozart.
»Herr David, kennen Sie die Ziele und Grundsätze der Mizler’schen Societät?«
Ich musste eingestehen, dass mir nur bekannt war, was Mozart mir bis dahin erzählt hatte, nämlich dass es eine Vereinigung der herausragendsten Musiker und Musikgelehrten war, die die Pflege der wissenschaftlichen Aspekte der Musik zum Ziel hatte.
»Nun denn, David, seien Sie gewiss, dass die Societät nicht allein gute und reine Ideale verfolgt, zumindest wenn die Aktionen der führenden Mitglieder in Augenschein genommen werden. Mizler nennt in seiner Zeitschrift, der ›Musikalischen Bibliothek‹, sehr eigenartige Ziele. Als grundlegend sieht er für Musik und Weisheit allein die Mathematik, im Sinne des antiken Gelehrten Pythagoras.«
Das letzte Wort, den Namen Pythagoras, hatte Franz sehr gedehnt ausgesprochen und mich dabei unverwandt angeblickt, als ob er eine erstaunte oder entsetzte Reaktion erwartete.
Da ich eher wenig Kenntnisse der Mathematik hatte und an der Lateinschule sogar im Abschlusszeugnis in diesem Fach eine sehr schlechte Bewertung erhalten hatte (was nicht zuletzt durch meine vielseitigen anderen Interessen begründet war), musste ich fragend die Schultern zucken, in der Hoffnung, weitere Erläuterungen zu erhalten.
»Ich bitte Sie, Herr David!«
Wieder diese erstaunlich selbstbewusste Haltung des Adlatus, die mich manches Mal viel eher an einen Meister als an einen Diener erinnerte.
»Pythagoras war und ist eine Berühmtheit, durch den nach ihm benannten Satz, der die mathematischen Gesetze des rechtwinkligen Dreiecks beschreibt. Das wenigstens sollten Sie wissen. Leider sind aber nur wenige darüber informiert, dass Pythagoras später eine Bruderschaft gründete, die sogenannten Pythagoräer, deren Ziel einzig die Begründung der Weltgesetze in der Mathematik war. Die Anhänger waren so fanatisch, dass es sogar zu Morden kam. Das Wappen von Mizlers Societät ist im Übrigen das sogenannte ›Tetraktys‹, ein Dreieck, das aus drei Steinen zusammengesetzt ist. Ein Symbol, das ganz nebenbei das Wappen der Pythagoräer war. Für Mizlers Zeitschrift schreibt übrigens auch ein Herr, der seine Aufsätze nur mit ›Pythagoras‹ unterzeichnet. Sie können sich selbst denken, dass dies nicht der wiederauferstandene Pythagoras ist, sondern der Deckname eines der Mitglieder, wie dies auch ein Gelehrter kürzlich in einer äußerst kritischen Abhandlung über die Societät bemerkte.«
Es war eindeutig – ich erinnerte mich: Im Skulpturengarten des Mirabellschlosses war die Mitgliedsgabe in einer Figur versteckt, die ein Dreieck in der Hand hielt, das Zeichen des Pythagoras und der Societät.
Wir näherten uns Hellbrunn. Zur rechten Seite sahen wir das weit ausgedehnte Schloss, dessen Prunk selbst aus der Ferne sichtbar war. Der überwiegend dicht bewaldete Hellbrunner Berg befand sich links davon. Oben auf dem Berg würden wir das Steinerne Theater finden.
Da der letzte Abschnitt des Weges zu steil und schmal war, um ihn mit der Kutsche zu befahren, mussten wir am
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