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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Frau, der sie warnte. Auch eine Art unterdrückter Bereitschaft zu Gewalt, die sie mehr ahnte als spürte. Die Maya hätten ihres Wissens weder über eine Schriftsprache noch über das Rad verfügt, sagte sie, da traue sie ihren kalendarischen Fähigkeiten auch nicht allzu sehr. Die Frau holte tief Luft, schrie und fuhr ihr mit langen roten Fingernägeln ins Gesicht. Drei Wochen lang sah man die Schrammen, und sie musste sich den milden Spott ihres Mannes anhören.
    Früher, ohne das Amt, war ihr Leben anders gewesen: Als junge Abgeordnete hatte sie den damaligen Innenminister mit ihren Fragen gepeinigt: Warum werden die Neonazis der NPD nicht verboten? Warum unternehmen Sie nichts? Und einmal hatte sie sogar gesagt: Warum decken Sie die braune Soße, Herr Minister? Das hatte ihr einen Ordnungsruf des Präsidenten eingebracht. Aber ihre Hartnäckigkeit damals und die Aufmerksamkeit, die sie dafür in der Presse und bei der jetzigen Kanzlerin fand, hatten sie in dieses Amt gespült.
    Aber sie hatte nichts erreicht. Die Neonazis wurden immer dreister. Im Osten kontrollierten sie schon komplette Landstriche. »Befreite Gebiete«, nannten sie es. Bald würde es dort eine Doppelherrschaft geben.
    Und sie schwieg.
    Das Telefon klingelte.
    »Guten Morgen, Frau von Schmoltke, sind Sie bereit für unser Morgeninterview?«, fragte eine frische Frauenstimme. »Wir sind in zwanzig Sekunden auf Sendung.«
    »Ich bin bereit«, sagte sie und richtete sich auf.

Anruf vom BKA
    »Bundeskriminalamt. Spreche ich mit Georg Dengler?«
    »Ja, bitte?«
    »Na, Süßer, wie geht es dir?«
    »Hallo – wer spricht da? Marlies, bist du das?«
    Dengler stand auf und ging hinüber zur Bar. Auf halbem Weg kam ihm Mario mit der gut aussehenden Frau entgegen. Die beiden gingen zu ihrem Tisch, und Dengler sah aus dem Augenwinkel, dass die Frau sich auf seinen Platz setzte.
    »Klar. Freut mich, dass du dich noch an mich erinnerst.«
    Marlies war zu der Zeit, als Georg Dengler noch Zielfahnder beim Bundeskriminalamt gewesen war, die Sekretärin von Dr. Scheuerle gewesen, dem Leiter der Abteilung Terrorismus und Denglers Chef. Sie waren sich einig gewesen, dass Scheuerle ein großer Idiot war, der alle Beamten terrorisierte, die ihre Arbeit machten, und diese Übereinstimmung hatte ihn, neben einigen Gläsern Weißwein, dazu bewogen, spätabends mit ihr in ihre Wohnung zu gehen. Es war ein dringender Einsatz, der die Liebesnacht verhinderte. Marlies hätte gern einen neuen Versuch unternommen, aber Dengler ließ sich nicht mehr darauf ein.
    »Ich bin befördert worden«, sagte Marlies.
    »Oh, Gratulation! Das heißt …?«
    »Ich arbeite nun im Büro des BKA-Präsidenten. Und der will dich sprechen. Passt es gerade?«
    »Nicht ideal, aber es geht schon.«
    »Scheint eilig zu sein. Er kam nämlich direkt aus einem Gespräch mit der Staatssekretärin, als er dich sprechen wollte. Ich verbinde … Vielleicht sehen wir uns mal? Tschüss!«
    Dengler ging raus ins Freie.
    »Schneider hier. Herr Dengler? Ich hoffe, ich störe Sie nicht. Aber ich brauche eine Entscheidung von Ihnen. Sie nehmen unser Angebot an?«
    »Ich nehme es an, Herr Dr. Schneider«, sagte Dengler.
    »Das freut mich sehr. Können wir uns noch mal sehen? Zeitnah?«
    Der Präsident sprach plötzlich sehr schnell. »Können wir uns morgen in Stuttgart treffen?«
    Sie verabredeten sich für den nächsten Tag.

Geheimnis
    Charlotte Gräfin von Schmoltke stammte aus einer alten schwäbischen Adelsfamilie. Die Familiengeschichte lag wie ein Glorienschein, aber manchmal auch wie ein bedrückender Nebel über ihrem Leben. Der Großvater war Offizier der Wehrmacht gewesen und hatte zur Widerstandsgruppe um General Olbricht gehört. Die Nazis erschossen ihn nach dem misslungenen Attentat zusammen mit Olbricht, Stauffenberg und anderen in der Nacht vom 21. Juli 1944 im Bendlerblock.
    Sie kannte ihren Großvater nur von alten Fotografien, aber in diesen Bildern war er stets präsent. Im Wohnzimmer der Familie hing ein Porträt in Öl, das ihn als erwachsenen Mann in Uniform zeigte. Das Bild, bereits sehr nachgedunkelt, die Farben rissig und splitterig, wirkte auf sie wie eine programmatische Schrift, wie ein vorgegebenes Muster, dem sie zu folgen hatte. Seine Überzeugung darf man niemals verraten, schien der mahnende Blick zu sagen. Für das, was man für richtig hält, muss man notfalls auch bereit sein zu sterben, so wurde sie erzogen, das war ihre Überzeugung, und diese Haltung strahlte sie mit

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