Das Multiversum 1 Zeit
gehen?« fragte Tom. Das versetzte Maura einen Stich. Sie fühlte sich irgendwie zurückgesetzt und ausgeschlossen.
»Ja, Tom. Es war schön, dich zu sehen.«
Tom ging Hand in Hand mit Anna zur Gruppe zurück, setzte sich hin und schloss sich der Diskussion wieder an. Anna gesellte sich auch dazu, aber Maura bemerkte, dass sie die Augen nicht von ihr und Reeve wandte.
»Sehen Sie?« fragte Reeve resigniert.
»Was soll ich sehen?«
»Was für ein Gefühl sie einem geben.« Reeve lächelte und strich sich das graue Haar aus den Augen. »Hallo und tschüss. Ich weiß, dass sie nichts dafür können. Aber sie haben einfach kein Interesse an uns. Es ist unmöglich, mit ihnen warm zu werden. Das Personal bleibt auch nicht lang.«
»Wie rekrutieren Sie Ihr Personal denn?«
»Wir beziehen nach Möglichkeit Eltern und Verwandte mit ein.
Tom Tybees Vater hat zum Beispiel hier gearbeitet … Ich führe Sie durchs Einstellungsverfahren.«
»Woher kommt eigentlich Anna?«
»Aus der Schule im Nördlichen Territorium.«
»Australien.« Die schlimmste der Welt, ein besseres Konzentra-tionslager. Kein Wunder, dass sie so misstrauisch ist, sagte Maura sich.
Das hier war aber auch kein Ferienlager, rief sie sich in Erinnerung. Es war ein Gefängnis.
Aber die wirklichen Gitterstäbe um diese Kinder waren unsichtbar und bestanden aus der Angst, Ignoranz und dem Aberglauben der Gesellschaft, in die sie hineingeboren waren. Doch bis das besser wurde, bis eine Art öffentlicher Aufklärung sich im Kollektivbewusstsein Bahn gebrochen hatte und die hysterische Furcht und 423
Feindseligkeit verdrängt hatte, die diesen Kindern entgegenschlug, waren sie in dieser Festung vielleicht am besten aufgehoben. Aber sie schwor sich, dass sie diesen Ort und die anderen im ganzen Land im Auge behalten und dafür sorgen würde, dass die Lage für Tom Tybee, Anna und die anderen blauen Kinder hier sich wenigstens nicht noch verschlechterte.
Dass ihre Kindheit nicht ganz verloren war, sagte sie sich.
Sie ging mit Reeve in ihr Büro und machte sich mit dem Quali-fikationsprofil des Personals vertraut.
Reid Malenfant:
Malenfant stand angeseilt auf der Oberfläche von Cruithne und wartete.
Er wusste, dass er richtiggehend verdreckt war. Nach ein paar Wochen auf dem Asteroiden war alles – sein Anzug, die Feuerkäfer und Habitate, jeder Ausrüstungsgegenstand mit dem anthrazitfar-benen, elektrostatisch haftenden Regolithstaub beschichtet worden und hatte die triste schwarzgraue Farbe von Cruithne angenommen.
Eine Textilkuppel wölbte sich über ihm. Das von den Kalmaren mit ihren Waldos und Feuerkäfern errichtete Zelt war starr und so labil, dass es auf der Erde nie gestanden hätte. Aber hier, im Vakuum und unter der Mikrogravitation von Cruithne würde es jahrelang stehen, bis das Gewebe unter dem erbarmungslosen Ansturm des Sonnenwinds zerbröselte.
Ein automatisierter Countdown lief im Kopfhörer ab. Ungeduldig schaltete er die leise Frauenstimme des Robots stumm. Was hatte er davon, wenn er es auf die Sekunde genau wusste? Er hatte diese Operation ohnehin nicht mehr unter Kontrolle. Die Cepha-424
lopoden führten nun Regie, und Malenfant war nur ein Statist.
Und er war hundemüde.
Derweil drehte Cruithne sich, wie er es seit Milliarden von Jahren tat. Sonne und Sterne drehten sich abwechselnd über ihm.
Wenn das ungefilterte Sonnenlicht einfiel, spürte er seine Kraft.
Die Lüfter und Pumpen im Tornister surrten, und das Wasser im Thermoanzug blubberte, während der Anzug sich bemühte, ihn unter dem heftigen Photonenhagel zu kühlen und am Leben zu erhalten.
Es war ohne Frage ein höllischer Ort. Mit dieser Operation er-füllte Malenfant seinen Teil des Handels mit den Tintenfischen.
Die Bergbauoperation, die nun stattfand, war um eine Größenordnung ehrgeiziger als das simple Regolith-Kratzen, das Sheena 5
gleich nach der Landung betrieben hatte. Die zeltartige Kanzel war über einem geeigneten Einschlagkrater errichtet worden, den Em-ma mit ihrem subtilen Humor auf den Namen Kimberley getauft hatte. Die Kanzel diente als mobiler Speicher für das Erz, das der Roboter aus der Tiefe von Cruithne förderte. Wenn die Kanzel mit Erz gefüllt war, würde sie versiegelt und zum Verarbeitungsort transportiert werden.
Dort würden mechanische Mühlen in Form eines rotierenden Zylinders das Erz abscheiden. Die Fliehkraft würde die Erzkörner durch eine Reihe von Sortiersieben drücken, worauf das aussortier-te Material auf
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