Das Multiversum 1 Zeit
unsrem E-Controller direkt an den Kamera-Feuerkäfer auf Cruithne übermittelt. Sie kontrollieren das Bild; Sie befinden sich mit den Astronauten auf Cruithne; Sie können sich dem berüchtigten Reid Malenfant als Bootstrap-Bandit anschließen.
Im Moment wirkt das Bild aber etwas statisch; vielleicht seid ihr euch nicht ganz einig, haha.
Dort! Haben Sie das gesehen? Bob, können wir das noch mal sehen – können wir nicht. Auf jeden Fall hat es für mich wie ein Astronaut ausgesehen, und ich hatte den Eindruck, dass er oder sie uns zugewinkt hat. Vielleicht war es Reid Malenfant selbst. Wenn ihr Leute euch dafür entscheidet, zurückzuschwenken, sehen wir es vielleicht genau …
Maura Della:
Dies war das Große Becken von Nevada.
Die Bänder der leeren Highways schlängelten sich über Bergket-ten und hinunter in Salzebenen. Die Menschen schienen einen schweren Stand in diesem Land zu haben: Sie fuhr an Geisterstäd-415
ten vorbei, an Bundesgefängnissen und an von Stacheldraht um-zäunten Bordellen. Die erodierten Berghänge wurden von aufgelas-senen Goldminen beherrscht, und das Land dazwischen war mit struppigen Büschen bewachsen. Staubteufel tanzten gespenstisch über die Ebenen.
Richtig unheimlich. Und, sagte sie sich, eine Sickergrube für die nationale Verrücktheit der Amerikaner. Im Süden lag die berüchtigte Area 51, um die sich noch immer Geheimnisse und Spekulationen rankten. Im Nordwesten, in der Black Rock-Wüste versammelten Hippies, alternde Punks und sonstige Freaks sich seit Jahrzehnten zu ihrem Burning Man Festival, einer jährlichen Orgie mit Wettschießen, Punk Rock und Off-Road-Rallyes.
Irgendwie schien das genau der richtige Ort für Amerikas größ-
tes Ausbildungs-und Schutzzentrum für die Blauen zu sein, die seltsamen intelligenten Kinder, die aus der Mitte der Menschheit hervorgegangen waren.
Und Maura Della war unterwegs, um den kleinen Tom Tybee dort zu besuchen.
In einem Kaff namens Heston legte sie einen Tankstopp ein.
Der Typ, der rauskam, um sie zu bedienen, war um die Sechzig. Er hatte einen Rauschebart wie der Weihnachtsmann und trug eine rote Baseball-Kappe mit dem Logo einer Helikopterfirma. Das gro-
ße Schaufenster der Tankstelle war zerbrochen, und der ganze Vor-platz war mit großen Scherben übersät. Der Weihnachtsmann sah, dass ihr Blick auf das Glas fiel. Sie wollte ihn nicht fragen, wie das passiert war, aber das brauchte sie auch gar nicht. »Überschall-knall«, klärte er sie auf.
Die Sache war die, dass die Verschwörungstheoretiker Recht hatten. Wenn es irgendwo in den Vereinigten Staaten einen Ort gab, der dem Einfluss ferner und anonymer Instanzen unterlag, dann war es Nevada, wo neunzig Prozent des Landes von der Bundesregierung verwaltet wurden – eine ferne und imperiale Macht für die 416
Rancher und Bergleute, die hier lebten. Nevada war Amerikas Son-derzone, die Müllkippe für den Rest des Landes.
Sie bezahlte und fuhr weiter.
Im Zentrum angekommen, wurde sie von der Rektorin Andrea Reeve begrüßt.
Reeve führte sie im Zentrum herum. Es sah aus wie, nun, eine Grundschule: Flachdach-Gebäude mit großen Fenstern, ein Hof mit Klettergerüsten, Spielplätzen und großem Spielzeug für drauß-
en. Ein quittengelber Feuerwehr-Roboter ging an den Außenmau-ern Streife. Der Elektrozaun war jedoch untypisch für die Schulen.
Im Innern wirkte das Zentrum aber modern, hell und luftig. Die Räume waren nicht wie die konventionellen Klassenzimmer eingerichtet, an die Maura sich erinnerte. Statt der Bänke und Tafel an der Stirnseite gab es eine bunte Einrichtung, die eher der eines Kindergartens glich. Die Wände waren mit E-Gemälden behängt, deren Motive alle paar Minuten wechselten und mit Lehrmitteln wie Zahlentafeln und großen animierten Buchstabentafeln. Außerdem hingen Zeichnungen und andere Werke, die die Kinder angefertigt hatten, an den Wänden.
Maura fiel auf, dass alles niedrig war. Ein Kleiderständer ragte gerade einmal einen Meter hoch empor, und das Mobiliar des Speisesaals schien einer Puppenstube zu entstammen. Die Wände waren kahl bis in eine Höhe, die die Kinder noch mit ausgestreck-tem Arm erreichten.
Reeve sah ihren Blick. »Wir haben fast nur kleine Kinder hier«, sagte sie. »Es gibt kaum welche über neun. Es ist erst ein paar Jahre her, seit das Phänomen der Blauen Kinder auftrat, und die sys-tematische Suche nach den Kindern hat noch später begonnen.
Die meisten kommen aus den Vereinigten Staaten, und ein
Weitere Kostenlose Bücher