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Das Multiversum 1 Zeit

Das Multiversum 1 Zeit

Titel: Das Multiversum 1 Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hatten.
    Er tauchte in Cruithnes langen Schatten ein.
    Die Sterne drehten sich über seinem Kopf, die vertrauten Kon-stellationen der Kindheit, nur dass sie nun mit den dichten Sternen des Alls vermengt waren. Und dann entdeckte er im Herzen des Sternbilds des Schwans einen hellen blauen Stern. Er schaute ins wässrige Licht und sog die Photonen ein, die Sekunden, bevor sie auf seine Augen trafen, von den Meeren und den Wolken der Erde abgeprallt waren. Näher als in diesem Moment würde er der Heimat wohl nicht mehr kommen, sagte er sich.
    Er dachte an die leblosen Korridore, die er bereist hatte, den langen, schmerzlichen Kreislauf von Physik und Feuer, Geburt und Tod, der sich schließlich hierzu entwickelt zu haben schien: ein Universum mit Kohlenstoff und Supernovae, Schwarzen Löchern und Leben und diesem wunderschönen blauen Funken. Aber die Erde war eine Insel aus Licht und Leben, die von Abgründen umgeben war.
    Als er wieder ins Zelt zurückkam, lag Emma im Sterben.
    ■

Er tat, was er konnte. Er massierte ihre Hände, versuchte den Blutkreislauf anzuregen und erhöhte die Sauerstoff-Konzentration im Blut. Er wickelte sie in eine leichte, mit einer Silberfolie beschich-tete Decke und tat überhaupt alles, um ihren Körper von der Vorstellung abzubringen, das sei das Ende. Aber ihr schneller Verfall schien unumkehrbar.
    Ihre Fingerkuppen hatten sich weiß verfärbt, und an anderen Stellen schimmerte die Haut sogar schon bläulich.
    Nein, noch nicht. Wie kann es hier zu Ende sein. Es ist falsch …
593
    Die Sonne war eine Kugel aus Licht, die durchs Zelt schien. Das Glühen verfing sich in jeder Falte und Pore des Gewebes. Malenfant verfolgte den Lauf der Sonne über den Scheitelpunkt des Zelts. Cruithne drehte sich geduldig, wie er es immer getan hatte.
    Aber die Luft im Zelt wurde stickig. Die Kohlendioxid-Filter und andere Vorrichtungen, die in den Tornister integriert waren, näherten sich vermutlich dem Ende ihrer Lebensdauer. Der Tornister würde das Habitat nicht mehr lang am Leben erhalten.
    Sie wachte auf. Ihr Blick fiel auf sein Gesicht. Sie lächelte, und ihm wurde warm ums Herz. Er flößte ihr Wasser ein. »Nimm's nicht so schwer.«
    »So schlimm ist es nicht«, flüsterte sie.
    »Quatsch.«
    »Wirklich. Ich habe keine Schmerzen. Jedenfalls keine starken.«
    »Willst du noch ein Schmerzmittel?«
    »Spar es auf, Malenfant. Du wirst es vielleicht selbst noch nötig brauchen. Ein Tequila wäre mir sowieso lieber.«
    Er erzählte ihr von der Funkboje. »Jemand wird kommen.«
    »Ach, Unsinn, Malenfant«, sagte sie leise. »Niemand wird kommen. Rettung in letzter Minute wird es nicht geben. Nicht für uns.
    Hast du das immer noch nicht begriffen?« Sie nahm seine Hand.
    Der Griff war schwach wie der eines Kindes. »Das ist alles, was wir haben, Malenfant. Du und ich. Wir haben weder eine Zukunft noch eine Vergangenheit, weil wir keine Kinder haben; niemanden, der die Geschichte weitererzählen könnte. Nur Seifenblasen in der Zeit. Sie schillern und platzen.« Sie weinte leise.
    »Es tut mir Leid«, sagte er.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, flüsterte sie. »Wir sind einen weiten Weg zusammen gegangen, nicht wahr? All die Universen ohne Leben. Und der Unterlauf. Wie das Leben langsam an die Wand gedrückt wird … Man braucht Sterne und Supernovae, um Schwarze Löcher und Universen zu erschaffen. Schön.
594
    Man braucht diese Dinge auch, um Leben zu erschaffen. Aber ist das der Grund, weshalb es uns gibt? Sind wir nur ein Nebenpro-dukt – ist Bewusstsein etwas, das zufällig aus dem Mahlstrom der Materie entsteht?«
    »Ich weiß nicht. Akzeptiere es einfach so, wie es ist.«
    »Aber so fühlt es sich nicht an, Malenfant. Nicht wahr? Ich habe das Gefühl, der Mittelpunkt von allem zu sein. Ich spüre, wie die Zeit tief in mir fließt. Ich bin keine Gischt im Meer des Universums. Ich bin das Universum.«
    »Ich höre dir zu«, sagte er und wischte ihr den Mund ab.
    »Blödsinn«, zischte sie leise. »Du hast doch nie jemandem zugehört. Wenn doch, hättest du unsre ganze Beziehung nicht in den Sand gesetzt, von Anfang bis Ende.«
    »Emma …«
    »Vielleicht wissen es die Kinder«, sagte sie. »Die neuen Kinder.
    Michael, wo auch immer er jetzt ist. Du weißt…«
    Sie schwebte zwischen Schlafen und Wachen. Er tränkte ein Tuch in Wasser und befeuchtete ihre Lippen. Wenn sie schlief, in-jizierte er ihr Morphin. Er musste hilflos mit ansehen, wie ihr Körper sich selbst abschaltete. Er

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