Das Multiversum 1 Zeit
ge-lüftet hat und vielleicht auch nie lüften wird. Was ist Bewusstsein?
Wieso existiert überhaupt irgendetwas? Wieso lebe ich hier und jetzt und nicht vor einem Jahrhundert oder in tausend Jahren?
Wir alle werden in der Tiefe unsrer Seele mit solchen Fragen kon-frontiert, jeden Moment des Lebens. Und wenn das Irrationale der 193
einzige Ort ist, an dem man nach Antworten auf solche Fragen suchen kann, dann schaut man eben dort nach.«
Die Kongressabgeordnete Howell rieb sich die Schläfen. »Aber, Oberst Malenfant, Sie müssen mir doch Recht geben, dass es unser Gehirn ist, die Wissenschaft, die die Welt um uns herum erschaffen hat. Es ist die Wissenschaft, die dem Planeten die Kapazität verliehen hat, viele Milliarden Menschen zu tragen. ›Nur durch das intelligente Management der Zukunft werden wir die nächsten Jahrzehnte überleben und langfristig eine Zukunft haben.‹ Ich weiß, dass Sie damit übereinstimmen, denn es handelt sich um ein direktes Zitat aus Ihrem Geschäftsbericht des Vorjahrs. Also kommen Sie uns nicht mit philosophischen Sprüchen …«
Maura beugte sich zu Emma hinüber. »Abgeordnete haben die Möglichkeit, den Kongressbericht zu überarbeiten. Zeugen leider nicht.«
»Glauben Sie wirklich, dass es verantwortungsvoll sei, öffentliche Zustimmung für Ihre höchst zweifelhaften Aktivitäten zu erlangen, indem Sie mit Unsinn über das Ende der Welt und Botschaften aus der Zukunft Hysterie schüren …?«
Doch nun schaltete Rutter aus Illinois sich ein. »Würde die Da-me mir an dieser Stelle das Wort überlassen? Wenn Sie mir für einen Moment das Wort überlassen, hätte ich eine Frage.«
Howell schaute ihn grimmig an. Sie begriff, dass er ihren Angriff abgeblockt hatte.
Rutter war ein korpulenter schwitzender Mann mit einer altertümlichen Fliege. Auf Emma machte er den Eindruck, als sei er seit zwanzig Jahren nicht mehr aus Washington herausgekommen.
»Ich fand Ihre Ausführungen interessant, Oberst Malenfant«, sagte er. »Die meisten von uns sehen keine ethischen Probleme in Ihrer Verbindung mit Organisationen wie Eschatology. Schließlich muss es auch jemanden geben, der sich konstruktive Gedanken um die Zukunft macht. Ich finde es erfrischend, einen Vorschlag wie den 194
Ihren zu hören, der außer dem praktischen Kontext noch einen Subtext hat, wie Sie es bezeichnen würden. Falls es Ihnen gelingt, zu den Sternen zu fliegen, einen Gewinn zu erzielen und noch etwas zu erreichen – nun, etwas Spirituelles, dann ist das, glaube ich, lobenswert.«
»Vielen Dank, Herr Abgeordneter.«
»Sagen Sie mir eins, Oberst. Glauben Sie, dass Ihre Mission zu Cruithne, falls sie erfolgreich ist, uns bei der Suche nach Gott helfen wird?«
Malenfant holte tief Luft. »Mr. Rutter, wenn wir alles finden, was wir auf Cruithne zu finden hoffen, dann glaube ich durchaus, dass wir Gott näher kommen werden.«
Emma drehte sich zu Maura Della um und verdrehte die Augen.
Meine Güte, Malenfant.
Dann kamen noch ein paar Fragen von Howell. Damit hatte es aber auch sein Bewenden, soweit Emma zu sagen vermochte.
Maura grinste. »Er hat es geschafft, dass sie ihm aus der Hand fressen.«
»Alle außer der Abgeordneten Howell.«
»Die Frage, die er mit Rutter abgesprochen hat, hat ihr den Wind aus den Segeln genommen.«
Emma machte große Augen. »Er hat es mit ihm abgesprochen?«
»Ach, natürlich hat er das getan. Kommen Sie, Emma. Das war doch so offensichtlich.«
Emma schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, eigentlich sollte ich mich über nichts mehr wundern, was Malenfant tut. Aber ich muss Ihnen sagen, dass er kein Christ ist und bestimmt nicht an Gott glaubt.«
Maura schürzte die Lippen. »Den Kongress belügen, alle Teufel.
Schauen Sie, Emma, das ist Amerika. Alle naslang muss man hier den lieben Gott bemühen.«
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»Dann hat er also gewonnen.«
»Ich glaube schon. Fürs Erste zumindest.«
Die Kongressabgeordnete Howell, die Verfahrenstechnikerin aus Pennsylvania, die für Rationalität plädiert hatte, drängte sich mit einer gemurmelten Entschuldigung zwischen ihnen hindurch. Howell wirkte niedergeschlagen, frustriert und verwirrt.
Malenfant erschien mit einem abstoßend selbstgefälligen Eindruck. »Auf nach Cruithne«, sagte er.
Maura Della:
»Meine Damen und Herren«, hob Dan an, »willkommen am JPL.
Heute, am 18. Juni 2011, wird ein US-Raumschiff, das von einem gentechnisch intelligenzgesteigerten Cephalopoden gesteuert wird, ein erdnahes Objekt mit der Bezeichnung 3753
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