Das Multiversum 3 Ursprung
abstammt«, sagte Manekato, »dann aber nicht von unsrer Erde.«
»Nein«, sagte Babo grantig. »Weil unsrer Erde nie eine katastrophale Kollision dieser Größenordnung zugestoßen ist. Wir würden die Folgen heute noch sehen, zum Beispiel anhand der Zusam-363
mensetzung des Planetenkerns. Und wenn unsre Welt sich der Gesellschaft eines solchen Monds erfreut hätte, wäre die ganze Evolution anders verlaufen: Ein Großteil der urzeitlichen Atmosphäre wäre bei der Kollision fortgerissen worden und hätte eine dünnere Luft mit weniger Kohlendioxid hinterlassen. Es hätte auch viele subtile Auswirkungen auf die Gezeiten und die Rotation der Welt gehabt …«
»Auf einer solchen Welt«, sagte Manekato, »brauchte man keine Spiegelung, um die Sterne zu sehen. Und an solch einem Himmel würde ein Mond wie dieser seine Bahn ziehen. Aber das ist eben nicht unsre Welt.«
»Nicht unser Universum«, sagte Ohne-Name nachdrücklich.
»Aber sag mir eins, Babo: Was haben unsre Astrologen zu einer Macht zu sagen, die einen Mond zu spiegeln vermag – nicht nur von einem Planeten zum andern, sondern zwischen Universen?«
»Dazu sagen sie überhaupt nichts«, erwiderte er gelassen. »Deshalb müssen wir auch dorthin gehen … Dort gibt es noch mehr.«
Er erteilte seinen Arbeitern eine leise Anweisung.
Eine neue Abbildung wurde erstellt. Sie zeigte das Bild einer gro-
ßen Farm, die den Äquator des Planeten überspannte.
Ein riesiger blauer Kreis zog in Bodenhöhe senkrecht über den kultivierten Grund der Farm hinweg. Leute blieben stehen und beobachteten den Vorbeiflug. Arbeiter wichen vor ihm zurück. Kinder rannten lachend neben ihm her und richteten sich vor lauter Aufregung auf den Knöcheln auf.
Und es fielen Leute aus der leeren Scheibe des Kreises.
Nein, es waren doch keine Leute, sah Manekato: Sie waren wie Leute, nackte Hominiden, manche groß und unbehaart, andere kleinwüchsig, stämmig und mit feinem schwarzem Haar überzogen. Sie zappelten und schnappten nach Luft wie gestrandete Fische, und ihre zerbrechlichen Körper wurden vom Wind umher geworfen.
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»Was hat das zu bedeuten, Babo?«
»Man vermag Ereignisse in groben Zügen zu prognostizieren.
Aber das Chaos steckt im Detail …« Mit einer Handbewegung ließ er das Bild verschwinden .
Ein Windstoß heulte über das kahle, erodierte Plateau. Er war so stark, dass Manekato strauchelte.
Babo trat vor. »Es ist Zeit.«
Manekato und Ohne-Name fassten ihn und sich an den Händen, so dass sie einen Kreis bildeten.
»Muss das sein?«, fragte Manekato im letzten Moment.
Babo zuckte bedauernd die Achseln. »Die Prognosen sind exakt, Mane. Der fokussierende Effekt der Form der hiesigen Küstenlinie, die Steigung des Meeresbodens, die präzise Positionierung des neuen Monds am Himmel: All das hat sich verschworen, die Farm zu vernichten und die Abstammungslinie der Poka mit ihr.«
Ohne-Name legte den Kopf zurück und lachte, so dass die Stacheln, die ihren Körper bedeckten, sich sträubten und zitterten.
»Und trotz all unserer Macht vermögen wir nichts dagegen zu tun.
In diesem Moment wird die Vergangenheit von der Zukunft ge-schieden. Es ist wie ein kleiner Tod. Meine Freunde, freut euch auf die Reinigung!«
Manekato gab einen leisen Befehl.
Die drei erhoben sich eine Körperhöhe hoch in die Luft. Die Spiegelung hatte begonnen.
Mane …
Überrascht, dass ihr Name gerufen wurde, schaute Manekato nach unten. Einer der Arbeiter, ein lädiertes altes Gerät aus einer längst vergessenen Serie, schaute mit einer glitzernden Linse zu ihr auf. Die purpurschwarze Hülle glänzte vor Nässe. Obwohl er sich mit großen Saugnäpfen am Boden festhielt, wurde er vom Wind durchgeschüttelt.
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Erinnerungen wurden wach. Sie hatte einen Arbeiter wie diesen gesehen, als sie als kleines Energiebündel aus der Gebärmutter ihrer Mutter kletterte und neugierig plapperte. In jenen ersten Tagen und Wochen hatte der Arbeiter sie gefüttert, sie angeleitet, vor Schaden bewahrt und getröstet, wenn sie sich fürchtete. Sie hatte das alte Gerät seit Jahren nicht gesehen und auch kaum einen Gedanken daran verschwendet. War das wirklich derselbe Arbeiter?
Wieso sollte er sie gerade jetzt suchen, wo er doch vor der Zerstö-
rung stand?
Eine Regenwand zog über den Berggipfel heran. Die drei waren sofort patschnass, und Manekato fiel das Atmen in den heftigen Windstößen schwer.
Als der Regen aufhörte, war der Berggipfel kahl gespült; die Arbeiter waren alle
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