Das Multiversum 3 Ursprung
Silberrü-
cken – war in die Bearbeitung eines Schenkelknochens vertieft.
Schatten setzte sich in Silberrückens Nähe. Sie bat nicht um Essen und war schon zufrieden, dass sie nicht zurückgewiesen wurde.
Die Sonne wanderte über den Himmel, während die Leute den Kadaver verwerteten.
Schließlich warf Silberrücken die letzten Knochenreste weg. Sie legte sich auf den Rücken, schlug die Beine übereinander und schob sich einen Arm unter den Kopf. Dann rülpste sie, pulte Mark-und Knochenreste aus den Zähnen und rammte sich mit allen Anzeichen der Zufriedenheit den Finger in ein Nasenloch.
Vorsichtig näherte Schatten sich mit dem Kind auf dem Rücken an. Sie lauste Silberrücken und fuhr sanft über die Haare auf Silberrückens Schulter. Die alte Frau ließ das schweigend geschehen und hatte die Augen geschlossen, als ob sie schliefe.
Schatten wusste, was sie tun musste, um hier einen Platz zu erringen. Im heimatlichen Wald hatte sie gesehen, wie Frauen die Gunst stärkerer Gruppenmitglieder zu gewinnen versuchten. Vorsichtig wanderten Schattens Hände zur Silberrückens Taille und streichelten dann die Genitalien der alten Frau, wie sie es bei den anderen gesehen hatte.
Eine Hand umklammerte sanft, aber nachdrücklich ihr Handgelenk. Silberrückens Gesicht, das durchs Lausen fast alle Haare verloren hatte, war eine runzlige Maske. Und es drückte Abscheu aus.
Sie zog die Beine unter sich und stieß Schatten weg.
Schatten saß ratlos und verwirrt da.
Nach einer Weile versuchte Schatten erneut, Silberrücken zu kämmen. Wieder ließ sie es geschehen. Diesmal versuchte Schatten 382
nicht die Grenze zum sexuellen Kontakt zu überschreiten, und Silberrücken stieß sie nicht mehr weg.
Als die Schatten auf der Ebene immer länger wurden, scharten die aasfressenden Fledermäuse sich dichter um die Überreste des Kadavers. Einer nach dem andern gingen die Leute zum Wald zu-rück. Die ersten Weckrufe ertönten von den Baumwipfeln.
Schließlich streckte die alte Frau sich mit knackenden Knochen und gähnte laut. Dann stand sie auf und trottete zum Waldrand zurück.
Schatten blieb an ihrem Platz sitzen.
Silberrücken schaute einmal nachdenklich zurück. Dann drehte sie sich um und ging weiter.
Dann stand Schatten auch auf. Das Baby klammerte sich an ihren Rücken. Hastig durchwühlte sie den Kadaver, aber das Mark war aus den Knochen gesogen, das Fleisch abgenagt. Sie stopfte sich fettige Hautfetzen in den Mund und folgte Silberrücken eilig in den Wald.
Manekatopokanemahedo:
Mit einer Handbewegung rief Babo ein Bild des Roten Mondes auf – aber es war kein richtiges Bild, eher eine beschränkte injektiv-rekursive Spiegelung des Mondes auf sich selbst. Der Mond drehte sich nach ihrem Belieben; er war eine Kugel mit einem Durchmesser von Babos doppelter Körperhöhe. Manekato schaute auf einen roten Wüstenkontinent und ein stahlblaues Meer.
Der kleine Hominide, der sich selbst Nemoto nannte, stand mit großen Augen neben Manekato. Auf ihrem glatten Gesicht lag ein unergründlicher Ausdruck.
»Deine Arbeit macht gute Fortschritte«, sagte Manekato zu ihrem Bruder.
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»Es ist eine routinemäßige Anwendung bekannter Techniken; bloß eine Frage ausreichender Datengewinnung … Der Schlüssel zu den Geheimnissen dieser Welt ist aber schon bekannt.«
»Aha«, sagte Manekato verdrießlich. Sie hob die Hand und deutete auf den mächtigen Vulkan, der die westliche Seite des rostroten Kontinents dominierte. »Du meinst das.«
»Ja, die vulkanische Anomalie«, sagte Babo. »Die wiederum auf einem magnetischen Phänomen beruhen muss, das wie eine Wolke im tiefen Innern des Planeten sich ausbreitet.«
» Du sprichst von der Zielscheibe?« Nemoto beobachtete sie und spitzte die Ohren, wobei sie den kleinen Kopf in alle möglichen Richtungen drehte, um die kleinen unbeweglichen Ohren auszu-richten.
Babo musterte Nemoto unbehaglich. »Glaubst du, dass sie uns folgen kann?«
»Ich habe ihr ein paar Wörter beigebracht«, sagte Manekato.
»Aber wir sprechen zu schnell, als dass sie uns verstehen würde.
Wie alle anderen Kreaturen auf dieser sauerstoffarmen Welt ist sie träge und schwer von Begriff. Dafür ist es mir gelungen, ihre Sprache zu decodieren. Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kau-derwelsch, mit dem du mich als Kind immer zum Lachen gebracht hast, Babo.«
Babo betrachtete noch immer Nemoto. »Sie imitiert dein Verhalten aber gut. Schau, wie sie den Vulkan ansieht! Ich habe fast den
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