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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Berührung von Körpern blank geschliffen und geschwärzt. Dieser Ort blickte auf eine lange Vergangenheit zurück.
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    Emma fand einen Platz an der Wand, der nicht besetzt zu sein schien. Sie ließ den Rucksack fallen und setzte sich in den Dreck.
    Eine Frau kam auf die Reisenden zu. Sie war gebückt, hatte mit weißen Strähnen durchzogenes Haar und zahllose Narben an den bloßen Armen. Sie sah wie achtzig aus, war aber wohl nicht älter als fünfunddreißig bis vierzig. Sie plapperte in einer gutturalen Sprache drauflos, die Emma nicht verstand. Sie hörte keine erkennbaren Merkmale von Englisch oder einer anderen menschlichen Sprache heraus. Julia wirkte unschlüssig, doch Mary und Joshua antworteten sofort. Die Parteien schienen keine Berührungs-
    ängste zu haben und sich nicht einmal über die Begegnung zu wundern.
    Julia kam zu Emma.
    »Dann dürfen wir also bleiben?«, fragte Emma.
    Julia nickte – eine Homo sap-Geste, die sie eigens für sie anwandte.
    »Bleiben.«
    Mit Erleichterung lehnte Emma sich gegen die cremige kühle Höhlenwand. Sie öffnete den Rucksack und kramte die Decke aus Fallschirmseide und ein Bündel Unterwäsche hervor, um es als Kissen zu benutzen. Der aus rotem Staub bestehende und festgestampfte Boden, unter dem zweifellos die Knochen vieler Ham-Großmütter lagen, war weich im Vergleich zu den Oberflächen, an die sie sich gewöhnt hatte; bald driftete sie in den Schlaf ab.
    Aber sie hörte immer noch das Heulen des gebändigten Wirbelwinds. Diese unnatürliche Erscheinung beunruhigte sie zutiefst.
    Sie brachte einen ganzen Tag nur damit zu, sich von den körperlichen Strapazen zu erholen und sich an die visuellen und akusti-schen Eindrücke sowie die Gerüche dieses Orts zu gewöhnen.
    Gleich vor dem Höhleneingang bahnte ein Bach mit klarem Wasser sich einen Weg durch die Felsspalten zur tiefer gelegenen Einschlag-Ebene. Das Gestein war stark erodiert, sodass der Bach 567
    kaskadenförmig über mit Flechten bewachsene Bassins mit mul-denförmigen Böden stürzte. Die Leute nutzten die Bassins zum Waschen und zur Essenszubereitung. Das Trinkwasser bezogen sie aber aus höher gelegenen Quellen.
    Emma wartete, bis alle anderen fertig waren. Dann trank sie aus dem Bach, wusch die Unterwäsche und breitete sie zum Trocknen auf den von der Sonne erwärmten Steinen aus.
    Während sie sich den Blasen an den Füßen und den Geschwüren an den Beinen widmete, beobachtete sie die Hominiden um sich herum.
    Ihre Ham-Kameraden schienen sich gemäß ihrer Natur schnell einzugewöhnen. Die starke, kraftvolle Mary machte sich einen Spaß daraus, mit den jüngeren Männern zu raufen, wobei sie öfter gewann als verlor. Am Ende des Tages härtete sie Speerspitzen in einem Feuer – anscheinend bereitete sie sich auf die Jagd vor.
    Julia schien sich mit einer Gruppe Frauen und Kinder anzu-freunden, die sich für den Großteil ihrer Zeit um eine Feuerstelle versammelten. Sie fügte sich so gut ein, dass es Emma bald schwer fiel, sie von den anderen zu unterscheiden. Es war, als ob sie ihr ganzes Leben hier zugebracht hätte.
    Joshua, der schon in seiner eigenen Gemeinschaft ein Einzelgänger gewesen war, wurde auch hier einer. Er ließ sich allein in einer kleinen Höhle nieder, und Emma bekam ihn kaum zu sehen. Aber die Hams schienen seine Schrulligkeit zu akzeptieren, wie seine Leute es auch getan hatten.
    Was Emma betraf, so wurde sie weitgehend ignoriert, wie sie es bei den anderen Ham-Gemeinschaften auch schon erlebt hatte. Es gelang ihr einfach nicht, ein Gefühl des Leidens abzuschütteln – wie würde es wohl einem Neandertaler ergehen, der sich in eine menschliche Gemeinschaft verirrte? –, und sie versuchte, den anderen aus dem Weg zu gehen.
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    Es gab da trotzdem einen alten Mann, der sie zu mögen schien – wobei alt bedeutete, dass er vielleicht zehn Jahre jünger war als sie.
    Er wurde von einer schlimmen Narbe entstellt, die sich von der Stelle, wo das rechte Ohr hätte sein sollen, bis zum Kopf hinauf-zog. Sie vermochte sich mit diesem Kerl aber nicht zu verständigen und ihn zu fragen, wie er sich diese Verletzung zugezogen hatte. Aber dieser verwundete und trotzdem lächelnde Mann schien Neugier für sie zu empfinden: Jedenfalls so viel, dass er ihr Fleisch anbot. Das Fleisch war erste Qualität und anscheinend aus der Schulter eines Tiers geschnitten – vielleicht aus einer Antilope, aber es hätte genauso gut von einem Rhinozeros stammen können. Es war eine bluttriefende,

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