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Das Multiversum 3 Ursprung

Das Multiversum 3 Ursprung

Titel: Das Multiversum 3 Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zwei Finger dicke Scheibe von der doppelten Größe eines Esstellers. Ihr Gönner betrachtete sie mit flüchtigem Interesse, als sie aus Stöcken einen Grillrost baute, um das Fleisch über dem Feuer zu braten.
    Er schien keinen englischen Namen zu haben. Sie nannte ihn insgeheim Narbenkopf.
    Das Fleisch schmeckte wirklich köstlich, obwohl sie sich Ge-müse, Bratensoße und einen fruchtigen Bordeaux dazu gewünscht hätte.
    Die Hams arbeiteten natürlich hart. Trotzdem fiel ihr auf, wie glücklich alle wirkten – und wenn schon nicht das, dann doch zufrieden. Offensichtlich gab es hier gute Jagdgründe, und sie hatten ein leichtes Leben. Diese Jungs mussten nicht mehr tun, als her-umzusitzen und darauf zu warten, dass das Fleisch in regelmäßigen Abständen an ihnen vorbeiwanderte. Sie hatten sogar fließendes Frischwasser direkt vor der Höhle. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Kind vom Schlaraffenland geträumt hatte, wo die Bäume aus Schokolade bestanden und die Flüsse aus Limonade, wo man sich auf die faule Haut legen konnte und wo man nur die Hand nach dem ausstrecken musste, was man begehrte. Das Leben dieser Leute schien von diesem Zustand nicht allzu weit entfernt.
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    Aber was würden Menschen tun, fragte sie sich, wenn sie plötzlich in eine solche Situation gerieten?
    Sie würden sich mit dem Überfluss des Schlaraffenlands nicht begnügen. Sie würden sich vermehren, bis die Höhlen überquol-len. Die Jäger würden immer weiter ausschwärmen, bis alle Tiere in der Gegend erlegt oder verjagt wären. Dann würde Landwirtschaft aufkommen, und alle wären zu täglicher Fronarbeit gezwungen. Die explodierende Population würde die Wälder abholzen und die Tiere dezimieren.
    Dann würden Hungersnöte und Kriege ausbrechen.
    Soviel zum Schlaraffenland. Vielleicht waren diese Hams nicht nur genauso klug wie Menschen, mutmaßte sie; vielleicht waren sie sogar klüger.
    Am dritten Tag verließ sie allein die Höhle und erklomm den erodierten Abhang.
    Das Gestein war zertrümmert und abgeschliffen und wurde von tiefen Rinnen durchzogen, in denen zum Teil noch Wasser floss.
    Sie fand heraus, dass sie am schnellsten vorankam, wenn sie in ei-ne Rinne kletterte und in diesem glatten Kanal emporstieg – wobei sie darauf achtete, nicht auf Moos und Flechten auszurutschen –, bis er irgendwann auslief und sie in einen anderen wechseln musste.
    Obwohl sie bald schnaufte und im Overall schwitzte, spürte sie Herz und Lunge pumpen und ein Kribbeln in den neuerlich ge-kräftigten Beinen. Du warst schon seit Jahren nicht mehr so gut in Form, Mädchen.
    Das Heulen des gebändigten Wirbelwinds wurde immer lauter.
    Sie zwang sich, es zu ignorieren.
    Knapp unterhalb des Gipfels setzte sie sich auf den kahlen Felsboden, verschnaufte und erholte sich vom anstrengenden Aufstieg.
    Der erodierte Hügel, der von tiefen Sandstein-Rinnen und Höhlen 570
    durchsetzt war, erstreckte sich unter ihr. Die Sonne stand noch tief; es war vielleicht zehn Uhr Ortszeit.
    Sie stand auf und drehte der Ebene den Rücken zu. Dann bewältigte sie die letzten paar Schritte zum Gipfelplateau des Kraters und schaute auf den Wind.
    Es war eine Wand turbulenter Luft: Ein staubgeschwängerter Zylinder, der zwei Meilen Durchmesser haben musste. Er wirkte zweidimensional nach ihrem kleinen menschlichen Maßstab, wie die Mauer eines riesigen Gebäudes. Aber er schraubte sich in den Himmel, verjüngte sich perspektivisch und lief ganz oben wie in einem gekrümmten Faden aus. Das ganze Gebilde wurde, wie die Wolken von Jupiter, von roten horizontalen Staubbändern durchzogen. Der Luftstrom wirkte ungetrübt, obwohl sie hier und da Gesteinsbrocken und Pflanzenreste sah, sogar ein paar ausgerissene Bäume. Der Fels am schimmernden Ursprung der Windsäule war blank poliert.
    Die Wucht, die Energie waren erschreckend; es war wie ein Wasserfall, ein Raketenstart. In einem entlegenen Winkel des Bewusstseins vermochte sie es nicht zu akzeptieren, dass dieser Wind kontrolliert wurde: Das Tier in ihr, durch Jahrmillionen der Erfahrung konditioniert, wusste, dass dieser tödliche Ausdruck der Naturgewalten unberechenbar und nicht zu besänftigen war.
    Trotzdem ging sie weiter. Nach ein paar Schritten spürte sie den ersten Windhauch und eine Prise Staub auf der Wange.
    Als sie sich dieser dichten Staubwand auf vielleicht hundert Schritte genähert hatte, wurde die Luft turbulent. Sie strauchelte, ging aber weiter und stemmte sich gegen den Wind, um eine halbwegs

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