Das Multiversum 3 Ursprung
stillen.
Stein steigt über die Äste, die er durch die Savanne geschleppt hat, die Äste, die Singen getragen haben. Er tritt gegen die Äste. Er hat schon wieder vergessen, dass er sie hierher geschleppt hat. Er bückt sich. Die Hände greifen nach einem Stück Kot auf dem Boden. Er leckt daran. Es ist der Dung eines Nussknacker-Menschen.
Der Kot ist alt. Der Kot zerbröselt.
Feuer fürchtet sich nicht. Es sind keine Nussknacker-Menschen in der Nähe.
Steins Füße treten wieder gegen die Äste und Zweige. Er legt eine runde geschwärzte Stelle auf dem Boden frei. Feuers Nase riecht Asche. Stein jubelt. »Ha! Feuer Feuer!«
Feuer geht vor der Asche in die Hocke. Das Feuer ist warm in den Händen.
13
Laut und Graben und andere scharen sich um ihn. Ihre Hände kratzen trockenes Zeug vom Boden, vertrocknete Blätter, Moos, Gras und Rindenstücke. Die Hände heben Steine auf und zerreiben den Zunder an den Steinen. Die Finger drehen den Zunder, machen ihn fein und leicht.
Holz' Beine gehen zum Wald. Sie kommt mit einem Bündel Reisig zurück, Stöcke aus Holz. Das ist es, was sie tut. Das ist ihr Na-me. Sie legt die Stöcke auf den Boden.
Die Hände der anderen legen den Zunder in die Mitte der Stö-
cke.
Die Leute arbeiten dicht gedrängt. Sie sind erhitzt von der Wanderung. Die nackten Leiber sind verschwitzt. Sie grunzen und jap-sen, Ausdruck der Müdigkeit, des Hungers, der Gereiztheit. Aber sie sprechen nicht über die Arbeit. Sie denken nicht, während ihre Hände die Feuerstelle herrichten. Die Hände tun das für sie. Die Hände ihrer Vorfahren haben das seit ein paar hunderttausend Jahren für sie getan.
Feuer sieht ihnen bei der Arbeit zu.
Er sieht sich selbst.
Er ist ein Kind ohne Namen. Ein anderer birgt Feuer in den Händen. Er vermag das Gesicht dieses anderen nicht zu sehen. Die großen Hände der Erwachsenen machen Zunder. Feuer ist fasziniert. Sie stoßen ihn weg.
Eine Frau hebt ihn auf. Es ist Singen. Ihre Arme sind stark. Ihr Mund lächelt. Sie wiegt ihn in der Luft. Die Blätter sind grün und groß… Die Blätter sind klein. Die Blätter sind gelb. Singen liegt auf dem Boden.
Feuer stößt die Hände in den Zunder. Er macht, dass die Hände das kostbare Flämmchen in den Zunder halten. Der Mund facht das Feuer an. Die Hände wollen vor der Hitze fliehen. Er macht, dass sie im Zunder bleiben. Flamme flackert. Das Holz qualmt und knistert, färbt sich schwarz und brennt.
14
Leute lachen und jubeln im Angesicht des Feuers.
Feuer zieht die Hände heraus. Die Hände sind wund.
Emma Stoney:
Das Flugzeug schoss fast senkrecht in die Luft und stieß mit der weißen Nase durch eine dünne, hauchzarte Wolkenschicht. Der Boden implodierte unter ihr, und die rechteckige Fläche des Flugplatzes schrumpfte zur Bedeutungslosigkeit, während das Weich-bild von Johannesburg sich über den Horizont schob und die gräulich grünen und braunen Areale von Ackerland sichtbar wurden. Am östlichen Horizont erstrahlte die Sonne in gleißender Helligkeit und stach mit Speeren aus Licht durch die gläserne Kanzel. Im Westen sah sie den fast vollen Mond, der das kleine graue Antlitz der zornig lodernden Sonne zugewandt hatte.
Der Himmel nahm bereits eine tiefblaue Färbung an, mit einem purpurnen Stich.
Emma stülpte sich schier der Magen um, aber sie wusste, dass das gleich wieder vorbei sein würde. Eine der vielen Ironien ihrer Beziehung war die, dass Emma weniger anfällig war für Luftkrankheit als ihr Ehemann, der Astronaut, der sich auf seinen zwei Raumflügen ungefähr ein Zehntel der Zeit nur übergeben hatte.
Malenfant drehte nach Norden ab, und der Horizont verharrte in Position – die Sonne zur Rechten, der Mond zur Linken. Sie nahmen Kurs aufs Innere des Kontinents. Das Land war flach, braun und sonnendurchglüht.
»Was für ein Scheißhaus«, sagte Malenfant. Seine Stimme übertönte das Brüllen der Triebwerke als Flüstern. »Afrika. Die ver-schissene Wiege der Menschheit.«
»Malenfant …«
Er zündete den Nachbrenner, und die T-38 schoss vorwärts.
15
Nach wenigen Sekunden hatten sie eine Höhe von 45.000 Fuß erreicht und die Schallmauer durchstoßen. Die Turbulenzen und der Triebwerkslärm klangen ab – sie flogen dem Schall nämlich davon –, und das Flugzeug schien in leuchtender Stille zu hängen.
Erneut verspürte Emma ein Hochgefühl. Es war in solchen para-doxen Momenten der Geschwindigkeit und Stille, wo sie sich Malenfant am nächsten fühlte.
Doch Malenfant war
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