Das Multiversum Omnibus
Homo sapiens- Gründen.«
»Es war nicht nur das«, sagte Emma und runzelte die Stirn.
»Man verbringt nicht sein ganzes Leben mit einem Astronauten, ohne einen Blick auf das größere Bild zu werfen. Manekato, wir sind zum Mond geflogen, weil unsere Rasse von Forscherdrang be-seelt ist. Wir besuchen auch Orte, mit denen kein unmittelbarer Nutzen verbunden ist. Wieso wir dieses Ziel verfolgen? Wieso die höchsten Berge besteigen? Wieso … den Atlantik überqueren? Wir sind zum Mond geflogen … weil dieses Ziel der Feststellung und der Mobilisierung unsrer Fähigkeiten und Fertigkeiten dient …«
Nemoto lachte. »Präsident Kennedys Rede von 1961. Es ist lang her, seit ich diese Worte hörte.«
»Malenfant hat das gern zitiert.«
»Dann hattet ihr also vor«, sagte Mane, »auf eurem Mond zu leben und ihn zu kolonisieren.«
»Ja, in letzter Konsequenz.«
»Und dann?«
»Und dann die anderen Planeten«, sagte Emma. »Mars, die Asteroiden, die Jupitermonde.«
»Und dann?«
»Und dann wohl die Sterne. Alpha Centauri … Da hättest du besser Malenfant gefragt.« Sie musterte Manekato und versuchte 592
die wechselnde Mimik zu deuten, die dieses breite, blauschwarze Gesicht prägte. »Jede intelligente Spezies muss die gleichen Ziele verfolgen. Expansion und Kolonisation. Nicht wahr? Vor allem die hochintelligenten Hominiden-Varianten.«
Nemoto schüttelte den Kopf. »Anscheinend nicht.«
Emma wurde ärgerlich; sie mochte es nicht, wie eine minderwertige Kreatur behandelt zu werden. »Wieso bist du hier, Manekato?«
»Wie du«, sagte Manekato gleichmütig, »stellten wir uns die Frage nach dem Warum, als dieser Rote Mond am Himmel erschien und unsere Welt genauso erschütterte, wie er es mit eurer getan hat.«
Emma beugte sich nach vorn. »Aber wieso du, Mane, und nicht jemand anders?«
Mane runzelte die Stirn. »Ich kam, weil ich kein Zuhause mehr hatte.«
Es stellte sich heraus, dass Manes Heimat, die sie als Farm bezeichnete, von den Gezeiten des Roten Monds vom Antlitz ihrer Erde getilgt worden war.
»Sie kam gezwungenermaßen hierher«, sagte Nemoto.
»Du hättest woanders neu anfangen können.«
»Es gibt kein woanders«, sagte Mane und zupfte sich am Ohr, das sich im dichten schwarzen Fell versteckte. »Es war das Ende meiner Abstammungslinie. Einer Abstammungslinie, die über hunderttausend Generationen zurückreichte.« Sie seufzte und kratzte sich am anderen Ohr.
Emma lehnte sich perplex zurück. Hunderttausend Generationen? Wenn eine Generation, sagen wir, mindestens zwanzig Jahre umfasste, dann belief sich das auf volle zwei Millionen Jahre.
»Emma, diese Leute sind nicht wie wir«, gab Nemoto zu bedenken. »Sie haben viel mehr Ähnlichkeit mit den Hams. Sie hocken ihr Leben lang auf ihren Farmen. Sie begehren nicht das Hab und 593
Gut ihres Nächsten. Es gibt keinen Diebstahl, keine territoriale und wirtschaftliche Expansion, keine Nationen und Kriege.«
»Und wenn man seine Farm verliert …«
»Wenn man seine Farm verliert, stirbt man. Oder die ganze Abstammungslinie stirbt aus.«
»Das ist ja furchtbar«, sagte Emma zu Mane. »Was geschieht dann? Sterilisieren sie einen? Oder nehmen sie einem die Kinder weg?«
Dann merkte sie, dass sie wohl schon wieder die falsche Frage gestellt hatte. »Sie?«, fragte Mane verständnislos.
»Das muss gar nicht erzwungen werden«, sagte Nemoto. »Es geschieht einfach. Die Familien sterben freiwillig aus. Man glaubt, dieser Preis sei es wert, für die ökologische Stabilität gezahlt zu werden. Emma, die Daimonen haben diese Lebensweise entwickelt.
Sie ist von ihren kulturellen Imperativen geprägt. Bedenken Sie, zwei Millionen Jahre.«
Emma schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich unbehaglich unter Manes stetem Blick. »Menschen würden nicht so leben«, sagte sie trotzig. »Wir würden das nicht akzeptieren.«
Mane zupfte sich wieder am Ohr. »Was würdet ihr tun?«
Emma zuckte die Achseln. »Die Familie würde weitermachen.
Das Mayflower-Syndrom. Wir würden die Wildnis urbar machen …«
»Aber es gibt keine Wildnis«, sagte Mane. »Auch ohne Krieg, selbst wenn man einen Platz fände, der nicht schon kultiviert ist, wäre man gezwungen, eine Region zu besetzen, die schon in Raum, Zeit und im Energiefluss dargestellt und von einem anderen Abschnitt der Ökologie ausgebeutet wird.«
Es dauerte eine Weile, bis Emma das verstanden hatte. »Ja«, sagte sie. »Es muss Auswirkungen auf die Umwelt geben. Aber …«
»Der Lebensraum anderer
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