Das Muster der Liebe (German Edition)
Baupläne, einige leere Kaffeetassen und eine Menge Unordnung. Der Raum glich einem Schweinestall.
“Du erzählst mir besser alles”, sagte Reese, während er Kaffee einschenkte und ihr schweigend eine Tasse reichte. Sie lehnte mit einem Kopfschütteln ab – schließlich wusste sie nicht, wann diese Tasse zum letzten Mal gespült worden war.
“Warum glaubst du, dass ich noch mehr gesagt habe? Reicht nicht die Tatsache, dass ich enttäuscht bin?”, fragte sie.
“Ich glaube es, weil ich dich kenne.”
“Na, vielen Dank.” Sie spürte einen Kloß im Hals, aber sie riss sich zusammen. Er sollte unter keinen Umständen merken, wie sehr seine Worte sie getroffen hatten. “Um die Angelegenheit noch zu verschlimmern: Tammie Lee ist bereits im sechsten Monat. Und natürlich hatte Paul eine passende Erklärung, warum er uns so lange nicht informiert hat. Er hat gesagt, sie wollten warten, bis die Schwangerschaft sicher ist.”
“Und du glaubst ihm nicht?” Reese verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Türrahmen.
“Natürlich nicht. Normalerweise wartet man drei Monate, bis man seinen Lieben die frohe Botschaft mitteilt”, sagte sie, und der sarkastische Tonfall in ihrer Stimme war nicht zu überhören. “Aber
sechs
? Wir beide wissen, dass er es auf die lange Bank geschoben hat, weil er genau weiß, wie ich mich dabei fühle. Ich habe es von Anfang an gesagt, und ich sage es wieder: Diese Ehe ist ein großer Fehler.”
“Aber Jacquie …”
“Was soll ich denn denken? Paul geht auf Geschäftsreise nach New Orleans und trifft in einer Bar dieses Mädchen.”
“Sie waren beide zu Gast bei derselben Tagung und haben sich am Abend noch auf einen Drink getroffen.”
Warum ritt ihr Mann auf solch unnützen Details herum? Das war typisch – er war auf Pauls Seite. Ihr blieb die Rolle der bösen Schwiegermutter. Nun gut. “Sie waren ganze
drei
Tage zusammen. Und dann erklärte er uns, dass er ein Mädchen geheiratet hat, das niemand von uns je zu Gesicht bekommen hat”, fuhr sie fort.
“In dem Punkt gebe ich dir recht”, lenkte er ein. “Ich hätte mir gewünscht, dass Paul uns von der Hochzeit erzählt. Aber das ist doch nun schon über ein Jahr her.”
Es schmerzte Jacqueline immer noch, dass ihr Sohn seine Trauung nicht kirchlich gefeiert hatte. So wie sie es sich immer vorgestellt hatte. Sie glaubte, Paul habe ein Recht darauf gehabt –
sie
habe ein Recht darauf gehabt. Doch sie waren nicht einmal zur Hochzeit eingeladen worden.
Darüber mochte sie eigentlich nicht mehr nachdenken. Die einzige Entschuldigung ihres Sohnes besagte, dass er verliebt war. Dass er mit Tammie Lee den Rest seines Lebens verbringen wollte und dass er es nicht aushalten konnte, länger als unbedingt nötig von ihr getrennt zu sein. Das war der Grund, den Paul seinen Eltern nannte – aber Jacqueline hatte ihre Zweifel. Paul musste gewusst haben, dass sie nicht erfreut gewesen wäre. Und dass seine angeheirateten Verwandten ganz und gar nicht ihrer Vorstellung entsprachen. Sie konnte sich denken, wie die Hochzeit, die Tammie Lees Familie ausrichten würde, aussähe: Auf dem Empfang würden bestimmt Eintopf und Grütze gereicht. Es gäbe sicher frittierte Biskuitküchlein statt einer Hochzeitstorte.
“Tammie Lee ist kein halbes Jahr nach der Hochzeit schwanger geworden.” Sie machte sich nicht die Mühe, die Verachtung in ihrer Stimme zu verbergen.
“Paul ist über dreißig, Jacqueline”, erwiderte Reese und hatte wieder diesen missbilligenden Ausdruck in den Augen, den sie so sehr hasste.
“Und alt genug, um über Verhütung Bescheid zu wissen”, konterte sie. Ihr Sohn hatte ihr die Nachricht von der Schwangerschaft ebenso mitgeteilt wie damals die Nachricht von der Hochzeit: am Telefon und ohne Vorwarnung.
“Er hat mir erzählt, dass er sich eine Familie wünscht”, murmelte Reese.
“Aber nicht so früh, denke ich”, entgegnete sie. Mit ihrem Mann zu sprechen war einfach unmöglich. Ihm schien es vollkommen egal zu sein, dass Paul ein Mädchen unter seinem Stand geheiratet hatte. Sie versuchte ernsthaft, ihre Schwiegertochter in der Familie willkommen zu heißen. Doch sie konnte es einfach nicht aushalten, mehr als ein paar Minuten in ihrer Nähe zu sein. Tammie Lees oberflächliche Anmut und ihr unaufrichtiger Südstaatencharme waren unerträglich, fand Jacqueline.
“Paul freut sich auf das Baby, stimmt’s?”
Jacqueline lehnte sich gegen den Tisch und nickte. “Er ist total
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