Das Muster der Liebe (German Edition)
gehen – was ungefähr zwölf Jahre her war. Bis auf die Liebe zu ihrem Sohn gab es kaum noch etwas, das die beiden miteinander verband.
“Weil Tammie Lee ein Kind erwartet?”, fragte ihr Mann und ignorierte ihre Besorgnis.
Sie nickte. “Offensichtlich ist Tammie Lee ausgesprochen fruchtbar, genau wie ich es befürchtet hatte – die reinste Gebärmaschine.”
Reese runzelte die Stirn. Ihm missfiel die “natürliche Vorsicht”, die seine Frau Pauls Ehefrau gegenüber hegte. Allerdings war es richtig, dass sie nichts über die Familie dieser Frau wussten. Das bisschen, das Jacqueline aus Tammie Lees Geschichten von Tanten, Onkeln und Gott weiß wie vielen Cousinen und Cousins herausgehört hatte, war gelinde gesagt entmutigend.
Das Geräusch eines Krans, der über ihre Köpfe hinwegglitt, lenkte Reese einen Moment lang ab. Als er sich wieder seiner Frau zuwandte, runzelte er abermals die Stirn. “Du scheinst dich nicht darüber zu freuen.”
“Komm schon, Reese! Wie sollte ich mich denn fühlen?”
“Wie eine Frau, die zum ersten Mal Großmutter wird.”
Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust. “Ich für meinen Teil bin nicht gerade begeistert.” Einige ihrer besten und liebsten Freundinnen genossen es, Großmutter zu sein. Aber Jacqueline bezweifelte, dass ihr die Anpassung an die neue Situation ebenso reibungslos gelingen würde.
“Jacquie, es geht um unser Enkelkind.”
“Warum überrascht mich deine Reaktion nicht?”, stieß Jacqueline wütend hervor. Diese Diskussion führten sie seit Langem. Sie hätte gar nicht von dem Thema angefangen, wenn es nicht diesen Streit mit Paul gegeben hätte. Sie fühlte sich ihrem Sohn auf eine besonders innige Weise verbunden. Er war der Grund, weshalb sie überhaupt an dieser “Gemeinschaft”, die sich Ehe nannte, festgehalten hatte. Paul war genau so, wie sie sich ihren Sohn immer gewünscht hatte: Er sah gut aus, war klug, erfolgreich und so vieles mehr. Nach einer Banklehre war er schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert. Bis er vor einem Jahr etwas völlig Untypisches getan hatte – er hatte die
falsche
Frau geheiratet.
“Du hast Tammie Lee nie eine Chance gegeben”, beharrte Reese.
“Das ist nicht fair”, erwiderte Jacqueline und bemerkte zu ihrem Entsetzen, dass ihre Stimme zitterte. Sie bemühte sich wahrlich, die unschöne Verbindung mit Tammie Lee zu akzeptieren. Aber nie im Leben würde sie verstehen, warum ihr sonst so vernünftiger Sohn diese Fremde heiraten musste … dieses Mädchen vom Lande. Dabei hatten so viele Töchter ihrer Freundinnen Interesse an Paul gezeigt. Er nannte Tammie Lee seine Südstaatenschönheit. Doch alles, was Jacqueline sah, war eine Hinterwäldlerin. “Ich hatte sie zum Mittagessen in den Klub eingeladen. Doch während des Essens habe ich mich so geschämt wie noch nie in meinem ganzen Leben. Ich habe sie Mary James vorgestellt, und das Nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass Tammie Lee über eingelegte Schweinefüße redete – mit der Präsidentin der Frauenvereinigung!” Es hatte Wochen gedauert, bis Jacqueline den Mut fand, ihrer Freundin wieder unter die Augen zu treten.
“Betreut Mary nicht die Gestaltung des Kochbuchs?”, fragte Reese. “Dann ist es doch absolut sinnvoll, wenn die beiden sich über …”
“Das Letzte, was ich brauche, ist, dass du mich auch noch kritisierst”, unterbrach Jacqueline ihren Mann. Es war absurd, ihm irgendetwas erklären zu wollen. Sie konnten sich nicht einmal mehr normal unterhalten. Außerdem ruinierte der Staub auf der Baustelle ihr Make-up, und der Wind zerstörte ihre mühevoll hochgesteckten Haare. Das war Reese natürlich egal. Er hatte keine Ahnung, was sie alles auf sich nahm, um so auszusehen. Und selbstverständlich konnte er sich nicht vorstellen, wie viel Arbeit in ihrem Haarstyling oder ihrem Make-up steckte. Sie war mittlerweile Mitte fünfzig, und es brauchte geschickte Hände und einige Kunstgriffe, um ihr wahres Alter zu verstecken.
Er erhob seine Stimme: “Was genau hast du denn zu Paul gesagt?”
Jacqueline straffte die Schultern, um Haltung zu bewahren. “Nur dass ich mir gewünscht hätte, dass er noch eine Weile gewartet hätte, bevor er eine Familie gründet.”
Ihr Ehemann reichte ihr die Hand, um ihr in den Baucontainer zu helfen. “Komm rein.”
Sie ignorierte seine Hand und folgte ihm. Dies war das erste Mal, dass sie einen dieser Baucontainer von innen sah. Sie blickte sich um, entdeckte einen Stapel
Weitere Kostenlose Bücher