Das Musterbuch (German Edition)
sich auf, und ging weiter zum neuen Bogen Foscara, ein Meisterwerk von Antonio Rizzi.
Er kam in die Sala del maggior Consiglio und erblickte seine Gehilfen, die das von ihm konzipierte Fresko mit dem Markusdom, in dem Kaiser Barbarossa den Fuss des Dogen küsste, auf die Decke übertrugen. Die Wandgemälde von Pisanello und Gentile da Fabriano waren kaum noch zu erkennen. " Viene il maestro ..." sofort legten sie ihre Pinsel ab. Aber es war auch Gentile im Raum, der die Aufsicht für heute übernommen hatte. Er steuerte flink auf den Bruder zu und sagte: "Giovanni, ich habe dir etwas Grossartiges mitzuteilen." Der Bruder hatte seine Gefühle für Giovanni nicht aufgegeben, auch nach der unschönen Erbschaftsauseinandersetzung hielt er fest zu Giovanni. Er hatte ihm sogar über einen Gehilfen Pinsel und Pigmente aus dem Schaft seines Vaters zukommen lassen. Nur die Staffelei des Vaters wollte er für sich behalten.
"Giovanni, ich werde nach Konstantinopel gehen! Der Rat hat mit Einverständnis des Dogen Mocenigo beschlossen, mich zum Sultan Mohamed II. zu schicken. Als Repräsentant der Republik!" Giovanni fiel aus allen Wolken "Was..? Du willst mich mit dieser grossen Arbeit hier alleine lassen!?" sagte er mehr im Scherz und mit viel Anerkennung in der Stimme für die Karriere seines Bruders. "Für mich ist es die Chance, am Hofe des Sultans meinen Ruf als Bildnismaler zu stärken. Dies" - er zeigte auf die Fresken in der Sala del maggior Consiglio - " …dies ist ohnehin mehr dein als mein Kind, Giovanni. Ich lasse dir sämtliche meiner Gehilfen" - wobei er zu seinem treuen Schüler Vittore Carpaccio hinüberblickte - "und natürlich das Mal-Material. Den bisherigen Lohn teilen wir auf, der Rest wird dir und deiner Equipe gehören." Der pragmatisch veranlagte Gentile hatte den Bruder schnell davon überzeugt, dass hier nur ein maestro vonnöten wäre; ohnehin hatte Giovanni den grössten Teil des Konzepts hier allein erstellt.
Der Abschied vom Bruder Wochen darauf sollte ihm schwer fallen. Wann – und überhaupt: würde er Gentile je wiedersehen?
***
Rom - caput mundi - anno 1488 ! Andrea konnte nicht glauben, dass es wirklich losgehen sollte! Die Packtiere waren fertig, die ihm liebsten Dinge waren an sein privates Pferd gebunden und die Mannschaft wartete bereits auf das Zeichen des Abritts. Nur konnte er sich von seiner Frau und den zwei grossen Mädchen und dem heranwachsenden Francesco und seinem Ältesten Sohn, Ludovico, nicht trennen. Mit Blick auf Camillas Bauch versprach er ihr:" Bevor dein Sohn zur Welt kommen wird - und es wird ein Junge, ich spüre dies! - werde ich wieder bei euch sein, cara figlia !"
Er küsste Camilla auf die Stirn, liess den Gatten der Tochter grüssen, umarmte noch einmal seine Frau; dann ritt er ab, in Begleitung einer Eskorte vom Hofe der Gonzaga, die zu den Privilegien eines Hofmalers gehörte. ' Gott beschütze dich, mein Geliebter ', betete Nicolosia still vor sich hin und sah ihm nach, als er sich entfernte.
***
Zwei Wochen später war er in Rom angekommen und meldete sich unverzüglich beim Papst, so wie Ludovico Gonzaga es ihm schon vor zehn Jahren geraten hatte. Er sollte ihm eine Kapelle ausmalen, das war sein Auftrag. Ludovico war inzwischen gestorben und nun war sein Enkel, Francesco II. in die Fussstapfen seines Grossvaters und Vaters getreten, denn Federico I, war bereits im Jahre 1484 dem Grossvater in den Tod gefolgt. Endlich würde Andrea diesen seit Jahren geschmiedeten Plan, Rom zu erobern , realisieren! Im Kopfe hatte er die vielen Studien zum 'Triumph des Cäsar', zu einer Art Friesfolge mit neun Bildern, einen Triumphzug für das Haus Gonzaga! Er würde Francesco schreiben, er solle ihm seine Skizzen nachschicken. Hier im ‚antiken‘Rom würde ihm Inspiration um einiges leichter fallen. Der Papst war jedoch noch nicht für ihn zu sprechen, wegen der politischen Unruhen in Rom sowie der Uneinigkeit der grossen italienischen Liga, der Staatenwelt. Andrea nutzte die freie Zeit zur Besichtigung der Stadt.
Via Flaminia und Via Aurelia im Norden, Via Latina und Via Appia im Süden - Andrea bewunderte das antike Strassensystem und vor allem die antiken Monumente, Konstantinsbogen, Trajanssäule und das antike Amphitheater! Einfach kolossal! Dazu die vielen ägyptischen Pyramiden! Andrea freundete sich schnell mit Kunstkennern der Stadt an und erstand zu einem guten Preis den antiken Kopf einer Faustina maggiore . Er würde bestimmt noch
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