Das Musterbuch (German Edition)
einen passenden Sockelteil finden.
Im Vatikan war er überwältigt von den Fresken der Sixtinischen Kapelle. Künstler wie Cosimo Rosselli, Pietro Perugino und Sandro Botticelli hatten all ihr Können in die Ausmalung gesteckt. Dort die Schlüsselübergabe an Petrus, da die Moses-Prüfung und wieder erkannte er antike Monumente Roms, so den Konstantinbogen in Botticellis 'Bestrafung Korus, Datans und Abirons'. Nur der mit Sternen übersäte blaue Himmel wollte Andrea hierin nicht gefallen. Er wirkte so eintönig gegenüber den lebhaften Bildern wie den 24 Papstporträts von Ghirlandaio, Rosselli und Botticelli zwischen den Fenstern.
Vor allem aber faszinierte ihn die Cappella di Niccolò V.: hier hatte Fra Angelico, der Dominikaner aus Florenz, all seine Meisterschaft zum Ausdruck gebracht! Die Geschichten der Martyrien von Stephanus und Lorenz waren grandios verbildlicht!
Als Andrea schliesslich vor den Rovere-Papst Innozenz VIII. trat und ihm einen Brief Francecsos übergab, war der Paduaner Künstler sichtbar nervös und gespannt. Er hatte sich noch keine konkreten Gedanken über mögliche Bildthemen gemacht. Ausserdem wusste er nur, dass er eine Kapelle auszuschmücken hatte, aber welche? Doch nicht etwa die Decke der Sixtina?
Klein war der Raum, den der Papst ihm zuwies. Und immer nur Heiligengeschichten: gab es denn keine andere Themen? Andrea nahm sich vor, die Antike Welt in die Geschichte des Täufers Johannes einfliessen zu lassen. Er besass eine Zeichnung des alten Jacopo, die er für die Darstellung der Predigt des Täufers nutzte. Wer würde diese Zeichnung schon kennen?
Ausserdem beschloss er, Reisen nach Pisa und Bologna zu unternehmen. Dort, in Bologna wollte sich das Polyptychon des Ercole de' Roberti in San Petronio anschauen, einem Schüler von Cosmè Tura, welche gemeinsam den Palazzo Schifanoia in Ferrara ausgemalt hatten. Und in Pisa würde er sich von den Skulpturenwerken der Künstlerfamilie Pisani inspirieren lassen, und gleichzeitig einen Auftrag für die Kirche San Cristofano ausführen; vielleicht könnte er dann bald wieder abreisen, zurück zu seiner Familie nach Mantua!
Kapitel XXVI
Bartolomeo Vivarini hatte 1482 eines seiner Hauptwerke fertiggestellt und signiert, das Triptychon in der Frari-Kirche, Kirche der minderen Brüder, der Franziskaner. Die Johanneskapelle beherbergte die kleine Johannes-Statue des Donatello: zwei Gründe für Giovanni, öfter in diese Kirche zu schauen.
Gentile war längst heil zurückgekehrt und Giovanni hatte währenddessen seine Werkstatt um Räume und um einige Mitarbeiter vergrössert. Er konnte es sich jetzt erlauben, durch die Serenissima zu streifen und seine Mitarbeiter hier und da zu korrigieren. Die Arbeiten im Dogenpalast waren aber noch nicht abgeschlossen.
Etwas hatte sein Leben die letzten Jahre ungemein verändert. Giovanni hatte noch in seinem Alter still und leise um die Hand von Ginevra Bocheta angehalten und war bereits durch sie Vater einer kleinen Tochter geworden. Und Ginevra, eine fleissige, umgängliche Person in Atelier und Haushalt, war schon wieder schwanger. Ob es wohl diesmal ein Junge werden würde?
***
Ein Künstler namens Giovanni da Udine war in der Stadt eingetroffen. Er malte den Palazzo Grimani aus. Giovanni hatte schnell Kontakt zu ihm gefunden. Alvise, der Sohn Antonio Vivarinis, hatte zunächst seinen festen Platz in der Mannschaft seiner liebsten Schüler, neben Vittore, der sich später Belliniano nannte, kehrte dann bald aber wieder nach Murano zurück. Alvise wollte seine eigene bottega eröffnen.
Erst die Fresken, die Alvise neben denen der Brüder Bellinis in der Sala del maggior Consiglio im Dogenpalast malte, führten ihn im Jahre 1488 wieder von Murano zurück nach Venedig. Mit Giovanni Bellini verband Alvise Vivarini eine grosse Freundschaft. Ja, als der Sohn Giovannis und Ginervas geboren war, benannten sie ihn gar nach ihm, Alvise.
"Alvise, zeig' mir deine Maria mit Kind". Giovanni näherte sich der Staffelei im Atelier des jungen Freundes. "Sag mir, wer dich inspiriert hat!" Alvise berichtete von seinen Werken in Montefiorentino und in Treviso, die Giovanni nicht kannte, das erste von 1476, das andere von 1480. "Und schon habe ich wieder einen Auftrag ausserhalb der Stadt: ich soll einen Marienaltar in Belluno schaffen." Giovanni fühlte sich an die Geschäftigkeit seines Bruders erinnert. Er dachte an die vielen Gewürze, die Gentile aus dem Orient mitgebracht hatte, und an die
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