Das Musterbuch (German Edition)
Herzogin am Hof von Urbino. Denn kaum zwei Jahre nach Isabellas Vermählung mit Francesco wurde im Hause Gonzaga wieder ein Ehevertrag unterzeichnet, derjenige der Schwester Francescos, Elisabetta, mit dem Herzogsohn Guidobaldo da Montefeltro. Sie wurde für Isabella eine Art Freundin und Vertraute.
Beide Frauen, Beatrice und Elisabetta, bewiesen einen ausserordentlichen Kunstgeschmack. Isabella nahm sich vor, den Höfen in Mailand und Urbino in nichts nachzustehen.
Während Isabellas Gedanken schweiften hakte ein älterer Herr ein, der Kardinal Ludovico Gonzaga, Onkel ihres Gatten, und Isabella war erstaunt, ihn in diesem Kreise zu treffen. Aber eben zu dieser Zeit entwickelte Ludovico geradezu eine Antiken-und Kunstmanie, so dass er sogar als Konkurrent von Isabella bezeichnet werden konnte, als einer, der ihr oftmals die schönsten Stücke vor der Nase wegschnappte. Er beschäftigte einen sehr begabten Bildhauer namens Pier Jacopo Alari Bonacolsi, genannt 'Antico', der zuvor am Hof in Bozzolo im Dienste eines weiteren Onkels, Gianfrancesco Gonzaga, stand.
Isabella hatte sich derweil auch um die Gründung eines Musikerzirkels an ihrem Hofe gekümmert. Bedeutende Musiker wie Marchetto Cara traten in ihren Dienst und förderten eine neue Musiksprache der sonette , zu denen Isabella eigens Texte verfasste. Die Poesie war ihr ebenso wichtig wie die Musik und die Kunst - ut pictura poesis hiess es doch bei Horaz.
"Kennt ihr das Werk 'Allegoriae in universam Sacram Scripturam' von Rabano Mauro? Das wären doch einmal Allegorien, aus denen sich für die Malerei schöpfen liesse, maestro Mantegna!"
"Ja ", setzte hingegen der junge Mann namens Baldassare hinzu, „ich als Poet wage aber zu behaupten, dass neben Boiardo, der Dichter des Orlando innamorato , und Sabadino kein grösserer seiner Zunft derzeit zu finden ist." Sabadino degli Arienti hatte für Isabella eine Operettenart geschrieben, eine Anthologie über die berühmtesten weiblichen Persönlichkeiten der Zeit, unter anderen ihre Mutter Eleonora d'Aragona.
"Sie sind aber gut informiert über die grossen Dichter meiner Heimat, signore , und von wem muss ich Werke lesen, um ihren Geheimnissen auf die Spur zu kommen?" Isabella kannte den jungen, sympathischen Mann nicht, wollte ihn gleichwohl für sich gewinnen: "Baldassare Castiglione, Bürger der Stadt Mantua, Dichter am Hof von Urbino, der derzeit in Mailand....", "...und vielleicht schon bald im Dienste der Gonzaga?", unterbrach ihn Isabella mit einem charmanten Lächeln, dem bekannterweise niemand widerstehen konnte.
***
Er hiess Gian Cristoforo Romano und war einer der besten Bildhauer Mailands. Isabella tat alles, um von Ludovico Sforza, dem ihre Schwester bereits einen zweiten Sohn geschenkt hatte, die Bewilligung zu erhalten, seinen Bildhauer nach Mantua zu holen. Zunächst aber liess sie durch den Künstler Luca Liombeni einen dekorativen Fries mit Heraldik-Motiven in ihr studiolo malen. Sie wollte aber mehr: sie wollte Werke von Mantegna, Bellini und Perugino - von den besten Malern ihrer Zeit. Allein Mantegna begann sein erstes Werk für Sie: die 'Madonna della Vittoria'.
Dieses Madonnenbild war gedacht als Siegesbild, denn Francesco hatte kurz zuvor bei Fornovo gegen den französischen König Karl VIII. gesiegt. Dafür dankte der Herzog auf der Altartafel der Madonna im Bild zusammen mit seiner Gattin. "Was für eine schöne Pergola", rief Isabella beim Enthüllen des Werkes im Atelier aus. Sie beauftragte sofort einen Steinmetz, einen adäquaten marmornen Rahmen zu fertigen.
Mantegna hatte zudem zusammen mit seinem Sohn die Renovierung der Paläste Marmirolo in Angriff genommen.
In den nächsten fünf Jahren nahm die Ausschmückung der Räume Isabellas Gestalt an. Gian Cristoforo Romano, der tatsächlich nach Mantua kam, hatte grosse Marmorblöcke aus Carrara herankarren lassen, um die Gestaltung zu beginnen.
Sein Plan war es, ein grosses Portal zu schaffen, die Porta della Grotta, verziert mit vielen kleinen Tondi aus der antiken Welt: einer Minerva, Musen der Liebe und der Poesie, alles Figuren, die in Bezug zur Auftraggeberin gesehen werden sollten.
Als der Vater der Marchesa, Ercole d'Este, nach dem plötzlichen Tod der Mutter im Oktober 1493, zu Besuch kam, staunte er erfreut über die phantasievolle Ausgestaltung der ersten Räume - und natürlich über das Ende Dezember geborene kleine Mädchen Leonora, Isabellas erstes Kind. Selbstverständlich hatte seine Erziehung den
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