Das Musterbuch (German Edition)
angehenden Bräutigam. Man war sich über die Konditionen der ehelichen Vereinigung schnell einig geworden: fünfundzwanzigtausend Dukaten, eine geringe Summe im Vergleich zur Summe von einhunderttausend, welche der Fürst von Ferrara von seiner Schwiegertochter Anna Sforza forderte!
In einem grossen Triumphwagen, begleitet von vierzehn grossen Kisten mit Gemälden, Schmuck, Dukaten, Edelsteine und Stoffen aus feinster Seide, durchquerte Isabella das Stadttor Mantuas, der Geburtsstadt Vergils.
Stolz wie eine Königin betrat sie die Kastell-Anlage von San Giorgio am Arm ihres Gatten. Durch den Westflügel, genannt San Niccolò, gelangten sie in das Appartement der Herzogin, fünf nebeneinander liegende Räume, die auf die junge Frau sehr inspirierend wirkten:" Francesco, hier will ich mir ein studiolo einrichten." Sie strahlte und dachte als Liebhaberin antiker Kunstgegenstände und Bücher an die Vorbilder im heimatlichen castello estense in Ferrara und an das holzgetäferte studiolo des Herzog von Montefeltro in Urbino. Sie fand auch gleich einen Raum, nämlich denjenigen oberhalb der sogenannten 'grotta'. Ihr Blick wanderte entlang der leeren Wände. Danach führte Francesco sie in die ' camera picta ', in der sie vor Begeisterung zunächst wortlos stehenblieb, doch dann wollte sie wissen: "Wer ist der Künstler dieser unglaublich schönen Fresken?" "Mantegna, Andrea Mantegna, Hofmaler der Gonzaga, zur Zeit in Rom." antwortete Francesco. "Bitte lass ihn sofort zurückkommen. Ich muss ihn für die Ausmalung meiner Räume haben!" Isabella jubelte beim Gedanken ihrer bevorstehenden Projekte in Mantua.
Kapitel XXVIII
Eines Tages stand sie in der Tür seines Ateliers, so ganz ohne Anmeldung, die sie ohnehin nicht für nötig hielt. Isabella war bei weitem schöner, als alle Poeten der Zeit es beschrieben hatten. Sie trug ihr kastanienbraunes Haar wie zum Kranz im Nacken gebunden, wobei ein Teil der Haarpracht herauslugte. Ihre tiefbraunen Augen waren wohl das Faszinierendste, was Andrea an ihr wahrnahm.
" Maestro , ich brauche Sie!" Andrea war erst den Abend zuvor eingetroffen, hatte zunächst seine Familie begrüsst und seinen Enkelsohn noch bis in die Nacht hinein im Arm gehalten. Francesco hatte ihm die Zeit zur Verfügung gestellt, zunächst seine Gehilfen aufzusuchen und sich Klarheit in der bottega zu verschaffen. Nur Isabella war zu ungeduldig und wollte gleich den Maler der camera picta sehen!
"Verehrteste Marchesa, ich stehe Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Allerdings muss ich erst noch Ordnung in meinem Atelier schaffen, ehe ich mein Amt im Dienste der Gonzaga wieder aufnehmen kann...."
"Papperlapapp!", unterbrach Isabella ihn, "beginnen Sie zunächst einmal mit Ihren Berichten aus dem antiken Rom. Vielleicht heute Abend bei uns zum Essen? So gegen acht Uhr?" Sie erwartete wohl kaum eine Antwort, denn schon war sie wieder verschwunden. ' Was hatte sie nur für einen Eindruck gewonnen, vom müden nunmehr bald sechzigjährigen Mantegna, den die lange Reise offensichtlich strapaziert hatte', dachte er.
Sie hingegen war jung, sie war bezaubernd und voller Elan; und die vielen Pläne, die sie hatte, sollten den Meister aus Padua noch stark beanspruchen.
"Erst einmal werden Sie, maestro Mantegna, die Leinwandbilder zum 'Triumph' fertigstellen!" machte Francesco am Abend den Vorschlag. "Ich bin ganz angetan von den schönen Skizzen, die Sie mir aus Rom zusendeten!" "Und mir sollten Sie unbedingt ihre Errungenschaften aus Rom zeigen; ich hörte, Sie besitzen einen schönen weiblichen antiken Kopf, eine Faustina?", unterbrach Isabella ungeduldig ihren Gatten.
Andrea kam ins Schwärmen von den Eindrucken des Forum Romanums, vom Kolosseum und den vielen antiken Statuen. Er berichtete von der Sammlung des Papstes und den Malereien im Vatikan, ausgeführt von Sandro Botticelli und Pietro Perugino. "Diese Namen will ich mir merken!" scherzte Isabella, "mag sein, dass ich Sie für einen Auftrag gewinnen könnte?" Francesco war seiner Frau ganz hörig in Sachen Palastdekoration, denn schliesslich war sie eine gebildete Dame von Hofe der Este. Davon sprach allein schon ihre bedeutende Sammlung antiker Autoren wie Seneca, Cicero, Ovid, Aristoteles, ja selbst Schriften des der Stadt Mantua bedeutungsvollen Virgils und anderen italienischen Dichtern wie Dante, Petrarca und Boccaccio.
"Ich wünsche mir ein studiolo , eines wie das meines Vaters in Ferrara!" Das studiolo des Vaters wurde auch belfiore -
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