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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Mantovana
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Weise!
     
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Schau dort drüben malt selbst der berühmte Sohn Antonio Vivarinis, Alvise!"
"Und wo ist dein Bruder?" wollte Andrea wissen. "Der sitzt in seinem Atelier, ganz für sich allein, und porträtiert einen Condottiere . Das ritratto ist eines seiner Lieblingsbeschäftigungen zurzeit. Man könnte meinen, er wolle mit mir in Konkurrenz treten“, fügte Gentile scherzhaft hinzu.
Gentile war inzwischen zum bedeutendsten Porträtisten Venedigs avanciert. Aber seit dem Besuch Antonellos von Messina hatte auch Giovanni Gefallen an diesem Genre gefunden. Dabei musste Andrea an sein missglücktes Porträt der Isabella d'Este denken, das jene zurückwies und woraufhin sie sofort den alten Santi aus Urbino kommen liess. Unglücklicherweise war dieser auf seiner Rückreise auch noch stark erkrankt. Vielleicht ist die Historenmalerei mehr meine Stärke , dachte Andrea.
"Übrigens: in Mantua suchte mich ein tüchtiger deutscher Maler aus Nürnberg auf, den ich zur Fondaco dei Tedeschi nach Venedig geschickt habe. Vielleicht nimmt er einmal mit dir Kontakt auf; er heisst Albrecht Dürer und versteht eine Menge vom Kupferstich." "Talentierte Maler sind mir immer willkommen", entgegnete Gentile.
Diesmal war der Abschied herzlicher, als der vom Schwager Giovanni. Gentile unterstützte noch einmal die Idee, den jüngeren Bruder Niccolò dem Wirkungskreis Mantegnas in Urbino zu überlassen und versprach auch seiner Schwester, sie bald mal in Urbino zu besuchen. Allerdings hatte die Schwester die Hoffnung aufgegeben, für ihren inzwischen über sechzigjährigen Bruder eine Gemahlin am Hofe zu finden. Er musste sich wohl an sein Schicksal gewöhnen: zwar hatte er einen grossen Freundeskreis, war aber im Herzen einsam. Und so blieb auch seine Malerei stets etwas hölzern, unbelebt, als wäre der Maler noch nie von einer richtigen Passion ergriffen worden.
     

Kapitel XXIX
     
     
Als Lorenzo Lotto im Jahre 1480 zur Welt kam, waren die späteren Meister Giorgione, genannt Zorzio, und Tiziano bereits geboren. Alle drei kamen aus verschiedenen Gegenden, alle drei brachten unterschiedliche Voraussetzungen mit.
Der jüngste von ihnen war ein Eigenbrötler, einer, der kaum dem Lehrer über die Schulter schaute. Seine Vorfahren kamen aus Bergamo, der Stadt der Alpentäler von Brembo und Serio, die in die Po-Ebene mündeten, von den Römern municipum bergomum genannt.
Tiziano kam aus Pieve di Cadore, einem kleinen Bergdorf in den Dolomiten. Das Holz der venezianischen Werften, den zattere , stammte meist aus den Wäldern um Cadore. Die Familie des Malers pflegte Geschäftsverbindungen nach Venedig und so kam der Sohn der Familie Vecellio eines Tages dorthin, ging zunächst in die Lehre bei Sebastiano Zuccato und wechselte schnell ins Atelier Gentile Bellinis über.
Zorzio oder Giorgio Barbarelli, später Giorgione genannt, wurde in Castelfranco bei Venedig geboren. Seine Eltern waren einfacher Herkunft. Bereits recht jung entschloss sich der selbstbewusste junge Mann, Maler zu werden und begab sich deshalb in die Metropole der Kunst.
Lorenzo blickte selten von seiner Arbeit auf und war wortkarg, Tiziano hingegen war ständig zum Scherzen aufgelegt und verstand es vorzüglich, sich die Eigenheiten seines Meisters abzuschauen. Mit dem Stilleren der beiden befreundete sich Giorgione aus Castelfranco an, der Musikalischste unter ihnen, der kurz davor stand, seine eigene bottega zu öffnen. Wenn Giorgione die lyra in die Hand nahm und dazu seine canzoni sang, verstummte selbst der gesprächige Tiziano. So herrschte nicht selten eine harmonische, ausgesprochen inspirierende Stimmung während der Ausmalung des grossen Ratssaals im Dogenpalast.
Doch Lorenzo, der eine Vorliebe für astrologische und alchemistische Bücher besass, entwickelte sich mehr und mehr zum Esoteriker und Giovanni tat gut daran, ihn dem profaneren Meister Alvise Vivarini zu empfehlen, um die spirituellen Kräfte, die im Atelier Bellini schlummerten, nicht zu sehr in der Kunst des jungen Mannes keimen zu lassen - noch nicht! Giovanni war sich darüber bewusst, dass diese Veranlagung eines Tages den wortkargen Maler zu grossen Äusserungen in der Sprache der Kunst bringen würde.
     
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Stille herrschte in der kleinen Kammer, die sich Giovanni Battista, Sohn des Meisters Bellini, für seine Architekturstudien eingerichtet hatte. Lucrezia, die Tochter des Kollegen wartete schon lang auf eine definitive Lösung ihres Liebesverhältnisses, das ihrem Wunsch

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