Das Mysterium der Zeit
Aretino-Ausgabe in Großbuchstaben eine Widmung |242| an Lucrezia Barberini hast setzen lassen und dann im Text geschrieben hast, dass du sie Isabella Malatesta widmest. Die Barberini glühte vor Zorn. Und außerdem ist Nifo ein Idiot, aber das kannst du nicht gemerkt haben, weil dir die Aristoteliker gefallen. Vor allem aber bist du ein größenwahnsinniger Lügner. Du hast diese Ausgaben gar nicht betreut, sondern nur Vorworte in miserablem Latein geschrieben. Und Baldus Baldus ist gar kein Literat, sondern hat medizinische Schriften verfasst.«
»Da du so großen Spaß an albernen Präzisierungen hast, mein lieber verehrungswürdiger Schoppe, möchte ich dich daran erinnern, dass ich unzweifelhaft der Herausgeber des Werkes von Bartolomeo Perdulci bin.«
»Haha!«, unterbrach ihn der Verehrungswürdige. »Warum hältst du nicht lieber den Mund, Gabriel? Das ist doch wieder ein medizinisches Werk …«
»Bücher über Medizin sollte man mit Vorsicht konsultieren«, tönte Pasqualini. »Man könnte wegen eines Druckfehlers sterben.«
»Na und? Darf ein Philologe sich nicht mit Medizin beschäftigen?« Naudés Frage übertönte die allgemeine Heiterkeit, die Pasqualinis Bemerkung ausgelöst hatte. »Offenbar weißt du nicht, lieber Caspar, dass Celsus, der ein reiner Grammatiker war, ein überaus wichtiges Buch über Medizin verfasst hat, Dioscurides Soldat war und Macrus Senator, aber beide sehr fachkundig über Arzneipflanzen geschrieben haben. Hippodamos …«
»Macrus war Ritter, kein Senator«, unterbrach ihn Schoppe, der sich köstlich amüsierte.
»Wie auch immer«, versuchte Naudé mit ostentativer Gleichgültigkeit abzulenken, »Hippodamos, sagte ich, ein Architekt und Maurer, wurde zu einem großen Politiker und Urheber einer Verfassung, die sogar Aristoteles erwähnt. Plinius sagte, dass die alten Maler ihre schönsten Werke schufen, indem sie nur vier oder fünf Farben vermischten. Und wenn wir uns dein Curriculum anschauen wollen, so heißt es von deiner berühmten Studie über Petronius, derer du dich heute Morgen so gerühmt hast, entschuldige, wenn ich dich daran erinnere, dass du sie als junger Mann hier und dort abgeschrieben und dann unter deinem Namen veröffentlicht hast. Seither hast du dich nicht mehr mit philologischen Themen beschäftigt, du wirst von keinem ernsthaften Forscher mehr konsultiert, du veröffentlichst keine |243| Abhandlung, keine Ausgabe klassischer Texte mehr, und niemand kann sagen, wie weit deine Kenntnisse überhaupt reichen. Den Gnadenstoß gab dir deine närrische Idee, das Lateinstudium mit deinem lächerlichen Lehrbuch
Mercurius bilingualis
zu reformieren. Denn da dir zu deinem eigenen Schaden die Gabe der Überredungskunst nicht fehlt, war es dir fast gelungen, die Jesuitenschulen in Padua zu leeren, bis Pomponius Laetus, der seinen Sohn auf deinen Rat hin in eine Schule versetzt hatte, die deiner Methode folgte, merkte, dass der Junge in einem Jahr nicht nur absolut nichts gelernt, sondern sogar das bei den Jesuiten gelernte Latein vergessen hatte. Pomponius Laetus wurde zur Furie und machte dich überall schlecht, worauf alle anderen Eltern, die sich von deiner gescheiterten Methode betrogen sahen, sich zu einem giftigen Strom vereinigten, und so musstest du auch deine Lehrtätigkeit beenden. Ich weiß, dass du mir vergeben wirst, wenn ich dir das alles klipp und klar sage, denn du weißt, dass ich dein Freund bin, mein teuerster Caspar, also übertrifft meine uneigennützige Aufrichtigkeit alles, was …«
»Wer einen Freund findet, findet einen Schatz«, kommentierte Malagigi mit seinem unpassenden Humor.
»Natürlich vergebe ich dir, mein lieber Gabriel«, schnitt ihm Schoppe, puterrot vor unterdrücktem Zorn, den Satz im Mund ab. »Wer wie ich Gunstbezeugungen der Könige von halb Europa empfangen hat, von Rubens porträtiert wurde und …«
»Und wer einen Schatz findet, der lässt den Freund sausen«, ergänzte Pasqualini.
»… wer wie ich,
mehrmals
von Rubens porträtiert und vom österreichischen Kaiser sogar ermächtigt wurde, Adelstitel zu verleihen und zu entziehen, wie könnte der sich wegen ein paar Dummheiten erregen, die dir so unschuldig über die Lippen gehen?«
»Wenn ich ein vertrottelter Greis bin, werde ich mich auch porträtieren lassen«, spottete Naudé.
»Dann tu es bald«, fertigte Schoppe ihn ab und fuhr fort: »Wenn ich außerdem bedenke, dass du Bücher zuhauf verfasst, wo du Tibull zuschreibst, was von Properz stammt, und
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