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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Wechselgeld? Nägel? Hahaha!«, lachte Barbello mit seinem Frauenstimmchen.
    »Wie haben die Spartaner dann jahrhundertelang so leben können? Haben sie immer auf der faulen Haut gelegen?«, fragtest du, erstaunt |238| über das Ausmaß an Widersinn, das sogar ein großer Philosoph wie Seneca und ein berühmter Historiker wie Plutarch verbreiten konnten.
    »Und dann war da noch jenes Gesetz, dass beim Bau eines Hausdachs nur die Axt und für die Türen nur eine Säge benutzt werden durfte«, erinnerte Hardouin.
    »Wirklich wahr: der Unterschied zwischen einem Genie und einem Idioten besteht darin, dass das Genie Grenzen kennt.« Pasqualini bezog sich offenbar auf Lykurgs grenzenlose Dummheit, die in diesen aberwitzigen Erfindungen zutage trat.
    »Sicher haben viele Bürger Lykurg angefleht, ihnen den Gebrauch von Hammer, Zirkel und Winkel zu erlauben«, vermutete Malagigi, bemüht, seinen amüsierten Tonfall zu unterdrücken.
    »Nun, wie die armen Spartaner mit all diesen Zwängen fertig geworden sind, berichtet Seneca nicht«, antwortete Hardouin mit einem ironischen Lächeln. »Es gab sogar ein Gesetz, nach dem die Betten der jungen Menschen nur aus dem Schilfrohr des Flusses Eurotas bestehen durften, ohne Stroh, um sie weicher zu machen. Und wenn der Bräutigam sich zur Braut legte, durfte er sie nicht berühren. Und dann diese Geschichte mit der lakonischen Sprechweise …«
    Wenn die Kinder von Sparta sieben Jahre alt waren, erklärte der Bibliothekar, wurden sie den Familien weggenommen und vom Staat aufgezogen. Vor allem lehrte man sie, sich knapp auszudrücken, mit wenigen, aber klaren Worten. Darum heiße es lakonisch sprechen, nach Lakonien, der Gegend um Sparta.
    »Mit wenig Worten viel sagen zu können, bekanntlich das Privileg einer Handvoll weiser Männer, das soll in Sparta also jedes Kind gekonnt haben«, schloss Hardouin. »Aber ist das glaubwürdig? Kinder, erst recht die kleinen Siebenjährigen, schwatzen immerzu munter drauflos, und darüber wundert sich keiner. Also frage ich mich: Wie wurden die Kinder zu diesem knappen, nüchternen Sprechen erzogen? Warum berichtet uns das niemand, auch Plutarch nicht?«
    »Erlaubt mir die Frage«, warf Malagigi ein, eine vorwurfsvolle Miene aufsetzend. »Nehmt ihr Philologen denn alles für bare Münze, was euch nicht als Fälschung bewiesen wird? Müsste es nicht eher umgekehrt sein?«
    Guyetus, Naudé und Schoppe schwiegen mit finsteren Mienen.
    »Ich für meinen Teil«, hub Guyetus an, »fürchte kühne Thesen |239| durchaus nicht. Ich habe bewiesen, dass die erste von Horaz’
Oden
falsch ist, wie auch vier Strophen der zweiten, und ich habe dem Aufruhr, den das ausgelöst hat, mutig die Stirn geboten. Aber im Fall Lykurg ist Vorsicht geboten. Wir haben es hier mit maßgeblichen Zeugnissen von Plutarch, Plinius, Seneca und Aelianus zu tun, hochkarätigsten Namen!«
    »Es scheint mir keine besonders kühne These zu sein, zu behaupten, der unglaubwürdige Inhalt der Berichte über Lykurg sei der beste Beweis dafür, dass es alles Märchen sind«, spottete Barbello.
    »Immer mit der Ruhe, wir wollen doch nicht im Ernst behaupten, die Ströme von Tinte, die über Lykurg vergossen wurden, seien allesamt Erfindungen?«, empörte sich Guyetus.
    »Ströme von Tinte, was für ein Unsinn«, widersprach Hardouin, »das literarische Erbe der Antike ist gar nicht so groß, wie man glaubt. Der ganze Platon passt in ein Buch. Und nimmt man die gesamte griechische und lateinische Literatur so wie sie geschrieben wurde, also ohne die Kommentare und Fußnoten in den modernen Ausgaben, kann ein großer Bücherschrank sie fassen. Sechs oder sieben gelehrte, produktive Jesuitenpater der letzten hundert Jahre, Salmeròn, Vazquez, Suarez, Bellarmino, Cornelius a Lapide, Raynaudus und Petavius, haben allein ein ähnlich umfangreiches Werk hinterlassen.«
    »Wirklich?«, staunten wir Profanen und sahen das Trio der Gelehrten an, die jedoch den Blick zu Boden senkten.
    Dann rüttelte sich Schoppe auf und sagte:
    »Ich schätze klare Worte. Ich räume ein, dass man nicht weiß, wann Lykurg gelebt hat und wann Sparta seine Gesetze erhielt, aber daran ist dieser Betrüger Scaliger mit dem Durcheinander seiner Universalen Chronologie schuld, nicht Plutarch!«
    »Ach, hör doch auf, immer gegen den armen Scaliger zu wüten, Caspar!«, ereiferte sich Guyetus.
    »Nun, wir werden gefragt, ob das, was Plutarch sagt, wahr sei«, fuhr Schoppe fort, als hätte er den Vorwurf nicht gehört,

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