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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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der Größe von 30 Stadien, also fast vier Meilen, leer tranken.
|290| Nach Valerius Maximus zerschnitt der wunderschöne Jüngling Spurina sich selbst das Gesicht, um Frauen nicht zu unsittlichen Gedanken und Taten zu verführen. Auch in der Toskana lebte einst ein Jüngling, der den Begierden jener Unglücklichen nicht willfahren wollte (ach, so maßvolle, so bescheidene Jünglinge gibt es heuer nicht mehr!). Was also tat er? Welch unerhörte Sittsamkeit! Wie unvergleichlich dieser Eifer! Welche einzigartige Seelenstärke! Er ritzte sich das Gesicht mit einem spitzen, scharfen Messer. Mögen die schönen Jünglinge unserer Zeiten dieses einzige Mittel erlernen, das sie gegen die Angst wappnet, von den Vätern und Gatten der jungen Weiber aufgeschlitzt zu werden! Was für ein närrischer Einfall! Schande über den, der ihn aufschrieb!
Es gibt wohl keinen, der nicht, sobald er von ein wenig Wissen beleckt ist, tausende Male von jenen Orpheus, Amphion und Arion gehört und gelesen hätte, welche mit ihrem so süßen, erlesenen Gesang Ersterer die Tiere und Wälder, der Zweite sogar die Steine und Letzterer die Fische nach Belieben zu erregen und zu bewegen vermochten. Doch ebenso gibt es keinen, der so leichtgläubig und dumm wäre, derlei Geschichten nicht allesamt für Märchen der Dichter zu halten, welche damit auf die Redekunst eines ausgezeichneten Redners oder Sängers anspielen wollten. Ernsthafte Historiker vom Schlage eines Plutarch, Valerius Maximus und Velleius Paterculus aber wollen der Nachwelt weismachen, dass Marc Anton, der römische Redner, mit seinen wohlgesetzten Worten die wütenden Soldaten zurückhalten konnte, die ihn auf Befehl der grausamen Heerführer Mario und Cinna töten wollten. Wie schön, dass diese Soldateska ihm noch so viel Zeit ließ, seine lange, rhetorisch ausgefeilte Rede zu halten! Es ist schon sehr schwer zu schlucken, dass die Schlächter Marc Anton überhaupt ein paar Dinge sagen ließen. Nein, unseren seriösen Historikern zufolge waren diese Meuchelmörder so gutherzig und großzügig, dass sie lieber Marc Antons Geschichtchen anhörten als ihr Leben vor dem Zorn ihrer Befehlshaber zu retten, und mit dem Schwert in der Scheide unverrichteter Dinge abzogen. Und dies klingt noch wie eine kleine, eine halbe GOTTESLÄSTERUNG, wenn man liest, was Valerius Maximus und Plutarch schrieben, nämlich, dass der Redner Hegesias anderen Soldaten ihr zukünftiges Unglück so zungenfertig |291| ausmalte, dass er sie zum Selbstmord trieb. Ach, wo sind solche Redner heute? Den Unsrigen fehlt eine derart überwältigende Redegabe, die ihre ist bescheidener und kann höchstens dazu überreden, die eignen Laster zu töten statt sich selbst. Freilich sind die besten Redner die Historiker selbst oder die, welche sie erfanden, da sie uns ihre GOTTESLÄSTERLICHEN und schimärischen Ammenmärchen auftischen konnten.
Diodorus Siculus, jener Diodorus, von dem Justin der Märtyrer ein großes Loblied singt, schreibt, dass die Frauen Korsikas, nachdem sie ihr Kind neun Monate lang ausgetragen und es unter unerträglichen Schmerzen geboren haben, halb ohnmächtig und geschwächt von der Entbindung durch die Stadt wanken, während ihr Mann sich an ihrer Stelle ins Bett legt und sich mit guten Suppen und Kapaunen stärkt. Nun, und wer stillt das Neugeborene? Sie. Müsste er es dann nicht eigentlich tun? Und nun stellt euch die Besuche der Verwandten und Nachbarn vor! Wie geht es Euch, wie war es? Fragt meine Frau, wenn sie zurückkommt. ABSCHEULICHE GOTTESLÄSTERUNG!
beschleicht mitunter der Verdacht, dass die antiken Autoren wie zufällig schrieben, aus purer Lust, irgendetwas aufzuschreiben, und dass sie gar nicht überlegten, was sie niederschrieben. Oder die antiken Autoren hat es nie gegeben. Andernfalls lässt sich nicht erklären, wie sie Gott weiß was für einen Unsinn verzapfen konnten.
Pomponius Mela schreibt von Völkern in Äthiopien, die stumm sind, weil sie entweder keine Zunge haben oder ihre Lippen zusammengewachsen sind. Zum Trinken dient ihnen eine Fistel unter der Nase, und wenn sie Hunger haben, essen sie Getreide, Linsen und Ähnliches Korn für Korn. Darum müssen sie scharren und picken wie die Hühner. Feine Völker sind das! Dieser unerträglichen GOTTESLÄSTERUNG fügt Pomponius Mela hinzu, dass jene Völker, bis ein gewisser Eudoxos ihnen das Feuer brachte, keinerlei Kenntnis davon hatten. Es gefiel ihnen aber so sehr, dass sie
uti amplecti etiam flammas et ardentia sinu

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