Das Mysterium der Zeit
abdere donec noceret maxime libuerit
, also es umarmten und aus Freude mit großer Lust an ihrem Busen bargen, und jenes
maxime libuerit
bedeutet nichts anderes, als dass sie schließlich verbrannten. Und jenes
donec noceret
, bis sie verbrannten, was zum Teufel soll das bedeuten? Kann man etwa auch nur eine Sekunde standhalten, wenn einem eine Fackel unter dem Gewand lodert? Ich gebe die Worte des Herrn Mela wieder, damit niemand glaubt, ich, , würde dergleichen GOTTESLÄSTERUNGEN ersinnen, um meine Leser zum Lachen zu bringen oder weil ich ein Feind der antiken Autoren bin.dünkt, dass dieser Autor nicht im Geringsten bedachte, was er schrieb! Und auch die Kopisten, die es überlieferten, Himmel Herrgott, haben sie denn nicht gelesen, was sie da kopierten? Konnten sie der Welt die Beleidigung nicht ersparen, für so dämlich gehalten zu werden, dass sie derartige Hirngespinste glaubt?
Von der Wiege an hören wir dieses Gerede zum Lob der guten Römer der Antike. Titus Livius erzählt von Cincinnatus, der von seinem kleinen Acker auf der anderen Seite des Tibers geholt wurde, um Diktator zu werden und gegen die Sabiner und Aequer zu kämpfen. Er erfüllte seine Pflicht aufs Beste, doch dann verzichtete er auf das Amt und kehrte auf sein Äckerchen zurück. Mehr sagt Livius nicht über ihn. Konnte er uns nicht ein bisschen mehr erzählen? Warum wollte ihn das ganze Volk? Und warum holten die Römer ausgerechnet Cincinnatus, über den sie nicht das Geringste wussten, damit er sie regiere? Entweder war er ein reicher Patrizier, der aus Vergnügen den Boden bestellte, oder er war wirklich ein Bauer. Wenn er ein Patrizier war, warum diente er seiner Republik dann nicht von Anfang an und verteidigte sie vor großer Gefahr? Hatte er je zuvor ein Amt für das Volk ausgeübt? Hatte er je im Krieg gekämpft? Warum sagt Livius nichts darüber? Wenn er hingegen immer in jener bäuerlichen Einfachheit gelebt hatte, in der das römische Volk ihn vorfand, als es ihn zum Diktator machte, wie konnte er sich dann zum Heerführer eignen? Wenn ganz Rom ihn zum Diktator ausrief, muss er wohlbekannt und angesehen gewesen sein. Livius erzählt, dass Monna Raccilia, seine Gemahlin, sofort in die Hütte lief, um seine Toga zu holen. Die Toga des Senators? Oder den derben Kittel, den Überwurf der Possenreißer, den die Landbevölkerung trägt? So sehr vertrauen wir den Autoren, die über das Leben der Römer schreiben, dass wir wie Tölpel kopfüber auf alles hereinfallen, und wenn von Römern die Rede ist, scheint es fast, als meinten wir damit den Gipfel aller Tugend, aller Kunst, alles Guten in der Welt. GOTTESLÄSTERUNGEN!
Plinius berichtet, dass Nikokreon, Tyrann von Zypern, ein großer Feind des Philosophen Anaxarchos war. Als Alexander der Große den Tyrannen zu einem Gastmahl einlud, war auch Anaxarchos zugegen. Von Alexander gefragt, wie er über dieses Mahl denke, antwortete Anaxarchos: »Alles ausgezeichnet, mein König. Nur eines hat gefehlt: der Kopf eines gewissen Satrapen.« Und mit diesen Worten wies er auf Nikokreon. Alexander der Große war bereits tot, da erlitt Anaxarchos bei einem Seesturm Schiffbruch in den Gewässern von Zypern und wurde von Nikokreon gefangen genommen. Er wollte ihm die Zunge abschneiden lassen, aber Anaxarchos kam ihm zuvor, biss sie sich mit den Zähnen ab und spuckte sie dem Tyrannen ins Gesicht. Die in dieser lächerlichen Lügengeschichte berichtete Handlungsweise ist nicht nur höchst absonderlich, sondern auch unmöglich durchzuführen, weil unsere Kiefer dafür nicht geeignet und kräftig genug sind, wie jeder an sich selbst leicht feststellen kann. Ist doch schon der Schmerz unsäglich, wenn man sich beim Essen versehentlich in die Zunge beißt, vom Abbeißen gar nicht zu reden! Wie konnte Plinius überdies einfallen, Anaxarchos zu loben, der Alexander lehrte, dass alles, was ein König tut, erlaubt ist?
Nach Plutarch soll der König der Äthiopier gehinkt haben und alle seine Freunde ebenfalls. Wie das, bitte sehr? War es vorgetäuscht oder echt? Wenn es echt war, hatten sie sich gar willentlich einen Oberschenkelknochen gebrochen? War es aber vorgetäuscht, bemerkte der König nichts? Athenaios berichtet von Schmeichlern wie zum Beispiel Clisophus, der, als Philipp von Makedonien ein Auge verloren hatte, mit einem Verband über demselben Auge vor ihn trat. Dass ich nicht lache!
Nach Plinius gibt es Bäume, die so groß sind, dass zehntausend Männer im Schatten eines einzigen Baumes
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