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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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der alte Schoppe lakonisch, dessen Gesicht blass und eingefallen war.
    Für unsere entkräftete, uneinige Gruppe wäre es ein schimärisches Unterfangen gewesen, im Regen und bei völliger Finsternis einen Weg durch den Wald suchen zu wollen. Doch der Herr in seiner unendlichen Güte erwies uns die Gnade, den Regen einzudämmen, und schon bald konnten wir auf festem Boden gehen, statt bis zu den Knöcheln durch den Schlamm zu waten.
    Der Marsch durch die eiskalte Dunkelheit war dennoch eine Qual. Bei jedem Schritt zerkratzten uns die Zweige unsichtbarer Dornenbüsche Gesicht und Hände mit fast absichtsvoller Grausamkeit. Der verehrungswürdige Schoppe, der schon bald wieder auf Kemals Rücken |284| saß, wurde noch stärker gepeitscht als wir und jammerte unaufhörlich.
    »Als sie ins Haus kam, hat sie ihren Namen genannt«, sagte Hardouin plötzlich.
    »Und wie heißt sie?«, fragte Naudé.
    »Nummer Drei.«
    Alle schwiegen wir verblüfft.
    »Was soll denn das bedeuten?«, fragte der Statthalter.
    »Als sie die Tür geöffnet hat, bin ich sofort aufgewacht und habe gerufen: Wer ist da? Und sie hat geantwortet: Ich bin’s, Nummer Drei. Dann hat sie das Pech auf dem Boden ausgegossen und mit ihrer Laterne angezündet. Was danach geschah, wisst Ihr alle.«
    »Sie ist vollkommen verrückt«, meinte der Korsar.
    Nach einer guten halben Stunde torkelnden Vorankommens und vieler zweckloser Umwege mussten wir zugeben, dass wir uns verlaufen hatten. Wir standen vor einer Reihe Öffnungen in einer Felswand, die in unterschiedlich große Höhlen zu führen schienen, feuchte Grotten, ins Gelände gegraben und, wie von Waldgöttern hergerichtet, mit Zweigen, faulendem Laub und anderen forstlichen Bequemlichkeiten gepolstert. Der gute Vergil hätte hier vielleicht eine amouröse Zusammenkunft von Aeneas und Dido spielen lassen. Sofort verteilten wir uns auf diese Grotten, betasteten das Innere unserer gesegneten Nester mit den Händen, Füßen, ja mit dem Rücken und legten uns ergeben hinein, ohne uns noch miteinander abzusprechen. Am lauten Schnarchen erkannte ich, dass alle, mehr oder weniger unbequem liegend, trocken oder durchnässt, trotz der Kälte augenblicklich in den blindesten, wehrlosesten Schlaf gefallen waren, den die Natur kennt, und jetzt mochte das Mädchen ruhig kommen, um uns mit ihrer Hippe die Kehle durchzuschneiden, wenn sie nur keinen Lärm machte.
    Ich kroch allein in die kleinste der Grotten, wie ein Wurm, der es sich im ersten Apfel bequem macht, zu dem das Schicksal ihn führt.

|285| DISKURS XLII
    Darin man in höchst liederlicher Weise erwacht.
    Nach wer weiß wie langer Zeit fand ich mich in meinem Bett in Pistoia wieder, wo eine angenehme milde Wärme meinen armen schlafenden Leib umfing. Diese seraphische Wärme verströmte meine Gemahlin, die lächelnd neben mir lag. Glücklich, sie wieder umarmen zu dürfen, nachdem ich,
Deo gratia,
den Korsaren und dem Schiffbruch entkommen war (doch wer hatte mich nach Hause zurückgebracht?), suchte ich ihre Lippen. Mein Gesicht streifte ihre nackten, warmen Brüste, die prall waren wie zu der Zeit, als sie unsere Kindchen gestillt hatte, und ich versenkte Hände und Zunge in diese Hügel und Täler, während ihre Hände meinen Körper erforschten, den Wust der Kleider überwanden und sich schließlich um mein Glied legten. Sanft führten sie es zum mütterlichen Bauch, dann zu ihren glühendheißen Schenkeln und schließlich in die unergründlichen, waldigen, nachgiebigen Tiefen dazwischen. Ich unterschied nicht mehr zwischen mir und meiner Geliebten, und während ich mich und sie heftig wiegte, genoss ich dieses Bild in süßer Unbewusstheit und vergoss selig noch einmal jenen Samen, der uns schon so viele Kinder geschenkt hatte.

    »Psst!«
    Der leise Laut, der mir, begleitet von einem unterdrückten Lachen, ins Ohr gehaucht wurde, ließ mich auffahren.
    In der Dämmerung, die dem Morgen vorausgeht, riss ich die Augen auf. Zwei weiche Hände lagen auf meinem Mund, sie hatten vor wenigen Minuten die hörbaren Auswirkungen meiner Lust gedämpft. Ein Schatten stieg von meinen Lenden, auf denen er bis jetzt gethront hatte, und setzte sich neben mich. Ich spürte, dass mein schlaffes, befriedigtes Glied der kalten Luft ausgesetzt war. Erst in dem Moment war ich sicher, dass es kein Traum gewesen war, ich hatte mich wirklich mit diesem körperlosen Bild begattet. Vor Entsetzen verstummt, versuchte ich, ihre Formen zu erkennen. Dies war nicht Pistoia, ich befand

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