Das Mysterium der Zeit
eisern für wahr gehalten worden, wurde niedergeschrieben, transkribiert, kopiert und gerühmt und hat sich bis heute den Seelen so stark eingeprägt, dasswer weiß welche Gefahren drohen, wenn er sie als Lüge entlarvt. Aber es ist eine. Man sage mir doch bitte, warum Curius den Geleitzug der Gesandten mit den klappernden Hufen und dem Gewieher der Pferde, den Stimmen der Reitknechte und zumindest dem Klopfen an seiner Türe nicht ankommen hörte? Und Curius warf sich nicht wenigstens die Toga oder Zimarra um? Nein, M. Curius blieb dort stehen, wo er stand: am Feuer, um seine Rübchen zu schmoren. Damit nicht zufrieden, geht Athenaios so weit zu behaupten, dass Curius nichts anderes aß als Rüben. Achtung, Signor Curius, Rüben machen Blähungen und stacheln, wie es heißt, die Venus an, was aber kein Problem für Euch sein dürfte, da Plutarch sagt, dass ihr eine Frau hattet, die Mehl an die Rüben tat.
Ein ähnliches Ammenmärchen ist die Geschichte von Titus Livius und Valerius Maximus, nach der die römischen Konsuln und Diktatoren vom Feld weg, wo sie mit Hacke und Pflug arbeiteten, direkt in die Regierung des Römischen Reiches gerufen wurden, und wenn sie ihre Pflicht getan hatten, kehrten sie in ihre Hütten und an ihre Pflugschar zurück. Ebenso lachhaft ist Plinius’ Geschichte, nach der die wohlklingenden, berühmten Nachnamen der römischen Patrizier sich von Bohnen, lateinisch
fabae
(die Fabier), von Linsen, lateinisch
lentes
(die Lentuli), von Ziegen, lateinisch
caprae
(die Caprari) und von Schweinen, lateinisch
porculi
(die Porzii) ableiteten. Sollen Curius und all die anderen Konsuln, Feldherrn und Diktatoren des alten Rom, die von ihren Äckern geholt wurden, denn wirklich und im Ernst Bauern gewesen sein, die von früher Kindheit an pflügten und hackten, statt in der Schule schreiben und in den Akademien die Historien lesen zu lernen, um an den Höfen Konversation zu treiben? Was machten denn dann die echten Bauern? Was unterschied sie von ihren Herrschern? Nichts? Nein, nichts. ERZGOTTESLÄSTERUNG.
Aischylos, der berühmte sizilianische Tragiker, geht eines Tages aus der Stadt hinaus, um Luft zu schnappen und bleibt auf einer Wiese stehen. Und siehe, da fliegt ein Adler durch die Lüfte, der in Schnabel und Krallen eine soeben geraubte Schildkröte hält. Nun war der Dichter kahlköpfig und sein Haupt zu allem Unglück unbedeckt. Der Adler erspäht den Schädel, hält denselben für einen schönen runden, glänzenden Stein und lässt prompt die Schildkröte |299| darauf fallen, damit deren harte Schale zerbricht und er sich über das Fleisch hermachen kann. Und so verlor der große Tragödiendichter sein Leben. Schade, dass seine Kollegen Tragiker daraus kein Drama gemacht haben, denn diese GOTTESLÄSTERUNG ist eher Stoff für Kothurne als für Historiker.
Aelianus sagt, dass Agathokles, Tyrann von Syrakus, der ebenfalls kahl war, immer einen Myrtenkranz trug, wenn er ausging, um das Unglück des Aischylos zu vermeiden. Sueton berichtete, dass Cäsar, dessen Haupt fast kahl war, die letzten Nackenhaare wachsen ließ und über den kahlen Schädel kämmte, bis ihm vom Senat die Ehre gewährt wurde, einen Lorbeerkranz zu tragen. Laut Dion Cassius war auch Kaiser Tiberius kahl. Als Seianus ihn zu den Festen der Flora einlud, verlangte er von allen, die den Kaiser bedienten, und das waren fünftausend, sie sollten entweder kahl oder kahlgeschoren sein. Welch ein Risiko ging Seianus ein … und wenn nun ein paar Adler mit Schildkröten vorbeigeflogen wären? Es ist kaum auszuhalten, wie kann man einen solchen Unsinn nur glauben? Gerade Adler sind bekannt für ihre scharfen Augen. Außerdem hat es nie eine Stadt gegeben, um deren Mauern Adler flatterten, erst recht nicht in Sizilien, wo die Städte des alten Griechenlands alle an der Küste lagen.
Nach Plinius soll es eine Stadt mit Menschen aus dreihundert verschiedenen Nationen gegeben haben. Wie zum Henker verständigten die Bewohner dieser Stadt sich miteinander? Venedig, die Stadt, in der aufgrund des Handelsverkehrs die meisten fremden Völker aufeinandertreffen, wird nicht mehr als deren zehn beherbergt haben, und gewöhnlich können nicht mehr als vier Nationen einander verstehen.
Seit seiner Geburt hatunzählige Male gehört, dass Pythagoras seine Schüler zwang, fünf Jahre lang zu schweigen, eine Zeit, in der sie nur dem Unterricht zuhören durften. Diogenes Laertius fügt hinzu, dass sie, bevor sie die erste Prüfung bestanden hatten,
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