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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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verzweifeln. Nachdem dieser das Vorhaben aufgegeben hatte, machte er Archimedes’ Erfindungen lächerlich, weil er ihm keine Genugtuung verschaffen wollte. Wie könnten wir Modernen jenen Briareos der Geometrie besiegen? Von Archimedes stammt das stolze Wort – vielleicht auch Angeberei oder Lug und Trug –, wenn er nur einen festen Punkt hätte, könnte er die Welt aus den Angeln heben. Doch das überall verbreitete, tausendmal besungene Ruhmesblatt, er habe eine Glaskugel gebaut, in der man klar und deutlich alle Bewegungen der Himmelskörper erkennen könne, ist für mich eine der schlimmsten GOTTESLÄSTERUNGEN. |304| Glas ist ein äußerst zerbrechliches Material, und kommt es aus dem Ofen, lässt es sich nur wenige Augenblicke lang biegen und bearbeiten. Obendrein wird die Sache, soviel ich weiß, nur von Claudianus berichtet, der erklärt, die Kugel sei
parvo vitro
, aus wenig Glas gewesen, während Firmianus Lactantius von
concavo aere
spricht, also von konkaver Bronze.
Nach Pausanias und anderen sehr wichtigen Historikern war die Welt einst ohne Getreide und Korn, und nach Plinius blieb Rom die ersten 580 Jahre nach seiner Gründung ohne Bäcker. Ich, ΄Oǫɛοτήϛ, weiß nicht, welche dieser beiden GOTTESLÄSTERUNGEN schwerer wiegt. Gibt es größere Torheiten als diese beiden? Wenn die Historiker uns an der Nase herumführen wollten, hätten sie sich um ein wenig mehr Wahrscheinlichkeit bemühen sollen. Das Märchen besagt, dass die Menschheit sich anfangs nur von Eicheln ernährte. Als diese eines Tages ausgingen, versuchte eine Frau, Korn zu mahlen und zu backen, und so entstand der Brauch. Narren und Schwachköpfe sind wir, wenn wir das glauben! Und obendrein erfindet der ewige Plinius, dass in Rom die
pistores
, also die Bäcker, erst 580 Jahre – erstaunlich präzise, Plinius! –
ab urbe condita
auftauchten. Vorher sollen die Frauen der Römer selber Brot gebacken haben. Diese GOTTESLÄSTERUNG passt zu jener anderen, natürlich wieder von Plinius, dass es in Rom jahrhundertelang keine Barbiere gegeben hat. Wie nett von den Königen und von Cäsar, sich selbst zu rasieren … Die Brotgeschichte wird übrigens von Lactantius widerlegt, da er berichtet, dass es in Rom schon zur Zeit der Belagerung durch die Gallier Bäcker gab.
Gott will nicht, dass wir Gewissheit über die Ehrbarkeit und Treue unserer Frauen haben. Wir Männer werden nie sicher sein können, ob unsere Kinder das »richtige Gewicht« haben, wie man sagt, oder ob ein paar Unzen anderer »Materie« beigemischt sind. Bei Aelianus liest ΄Oǫɛοτήϛ, dass die Libyer ihre neugeborenen Kinder in ein Fass mit Schlangen steckten, und wenn diese durch den Angriff auf das Kind zahm wurden, war der unglückliche Kleine ein legitimer Nachkomme. Schön, nur war es dann ein wenig zu spät, um das Kind wieder ins Leben zurückzuholen, also blieb dem grausamen Vater nichts anderes übrig, als den armen kleinen |305| Leichnam unter Tränen zu begraben. Und die entsetzte Mutter wird ihrem Mann beim nächsten Mal ganz gewiss Hörner aufgesetzt haben … Alles was recht ist, dies ist nun wirklich eine klare, eindeutige GOTTESLÄSTERUNG. Ebenso die von Claudianus, nach der die Germanen ihren Neugeborenen sofort an den Rhein brachten, ihn auf einen Schild legten und dem Fluss übergaben. Wurde er von den Wassern verschlungen und ertrank, war er Frucht eines Ehebruchs, blieb er hingegen an der Oberfläche, galt er als legitim. Es schmerzt sehr, dass Justus Lipsius, ein hervorragender Mann unseres Jahrhunderts, diese Geschichte glaubte.

    »Wartet einen Moment«, sagte Schoppe nach beendeter Lektüre.
    Er kehrte zu den Höhlen zurück und kam kurze Zeit später mit Guyetus und Hardouin heraus, beide noch schlaftrunken und mit tränenden Augen. Der Verehrungswürdige schnäuzte sich mit einem vom Regen bereits völlig durchnässten Taschentuch, nahm mir die Papiere aus der Hand und hielt sie den beiden vor die Nase, während er kurz erklärte, unter welchen Umständen die Schrift gefunden wurde, was ich mit einem Kopfnicken bestätigte.
    Je weiter er mit der Lektüre voranschritt, desto heiterer wurde Hardouins Miene. Der bretonische Buchhändler nickte belustigt, während Guyetus’ Gesicht einen finsteren Ausdruck annahm. Mir fiel ein, wie übel er und seine Kollegen Hardouins Bemerkungen über Lykurg und Sparta aufgenommen hatten. Nun, was wir jetzt in der Hand hatten, stellte Plutarchs Ammenmärchen über die vermeintliche Existenz des Sparta von

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