Das Mysterium der Zeit
war ein einflussreiches Mitglied dieser Akademie, in der sich die venezianischen Gelehrten versammelten.
Ich spitzte die Ohren, damit mir kein Wort von Barbellos Rede entging:
»Vielleicht wäre es allzu kühn, brächte ich jene Geheimnisse ans Licht, indem ich sie Euch anvertraue«, stichelte er weiter, »doch wie könnte ich schweigen von jenem kleinen erdbeerfarbenen Muttermal, das sie in den Propyläen ihrer duftenden Scham verbirgt? Ah, diesem köstlichen Orte habe ich mich oftmals mit Seele und Leib gewidmet. Sogar mit Mund und Zunge.«
Dieses zickige Geschöpf wollte dich partout aus der Ruhe bringen, dachte ich schmunzelnd.
»… und so angenehm wärmte meine stets kalte Nasenspitze sich im dichten Gebüsch zwischen ihren Schenkeln, dass sie dort vor den Blitzen neidischer Verleumdungen so sicher sein konnte wie unter einem goldenen Eichbaum.« Mit dieser letzten ungeheuerlichen Provokation schloss er lachend und steckte dir blitzschnell die Hand zwischen die Beine.
Dieses Mal konnte er nicht rechtzeitig entwischen, weil du ihn am Nacken packtest und mit einem Zipfel seines Mantels kräftig über sein Gesicht riebst, wodurch die weiße Schminke verschmierte und alle künstlichen Schönheitsflecke sich lösten. Barbello schrie und schluchzte, du frohlocktest grinsend über deine kleine Rache an diesem unverschämten Kastratenbengel. Dann sangst auch du ihm ein Spottlied:
»Deine schlecht einstudierten Kantilenen lassen mich gähnen vor Langeweile!«, deklamiertest du kunstgerecht im komischen Stil, Barbello kräftig schüttelnd. »Und da dir so viel an meiner geschätzten Aufmerksamkeit für deine Salbaderei gelegen ist, nun, so sage ich dir, dass es niemanden gibt, der Monna Barbara verhöhnen könnte, am allerwenigsten ein bartloser Barbello mit dem ellenlangen Bart seiner stumpfsinnigen Späße!« Darauf entferntest du ihn mit einem Tritt auf die Hinterbacken aus deiner Nähe.
Er stand sogleich wieder auf, rieb sich mit dem Handrücken über das mit verwischtem Bleiweiß gestreifte, fast unkenntlich gewordene Gesicht und griff abermals an, penetranter als zuvor:
|50| »Oh, ihr überaus vorsichtigen Ohren, Monna Barbara wäre dankbar, wenn sie Euch hörte, da auch sie mit heroischer Güte stets jedwede Ehrerbietung anzunehmen beliebt! Sie war gewiss nicht die letzte in meiner Gunst, wie auch mein Stängelchen sich ergeben beugte, um ihre erlesenen, heimlichen Privilegien zu empfangen«, zischte der Schamlose, während er sich hartnäckig an dich heranpirschte. »Doch ich wollte Euch mit meiner unschuldigen Geste nicht beleidigen, welche Ihr falsch verstanden habt, nein, ich suchte nur tastend eine Bestätigung ihrer Berichte über Euer anbetungswürdiges Stängelchen, welches sich – Ihr Glücklicher! – auf ein gleichwohl geleertes Säckchen legen darf!«
Das war zu viel, du stürztest dich auf ihn, doch dieses Mal gelang es Barbello, dir zu entwischen, indem er sich flink zwischen die Bänke der Ruderer duckte. Dort konntest du ihm keine Lektion erteilen, denn für die Rudermannschaft sind Passagiere, die in ihre Reihen eindringen, ein Ärgernis – zu oft schon verletzten Stiefelsporne ihre nackten Schultern.
Das Gesicht aschfahl wie Unwetterwolken, kehrtest du zurück. Zur ohnehin beschwerlichen Enge auf dieser Reise kam nun eine neue Qual hinzu: tagelang würdest du den knappen Raum auf der Galeere mit diesem Schandmaul, diesem unverfrorenen kleinen Kastraten teilen müssen, dem Barbara sogar deine intimsten körperlichen Merkmale verraten hatte!
Ich näherte mich dir und legte dir eine Hand auf die Schulter.
»Diese Geschichte ist fünf Jahre alt, Signorino Atto«, sagte ich, um dich zu trösten. »Ihr wart ein zarter Jüngling, heute seid Ihr ein Mann. Außerdem wette ich, dass all diese Gesichter in Eurem Geist schon verschwimmen: die Strozzi, die Checca …«, zählte ich sie auf, Gott dankend, dass wenigstens Margherita Costa, die Schwester der Checca, nicht mit uns fuhr – eine Versuchung weniger. »Und dann Rosina …«, fügte ich mit deutlicher Betonung des Namens hinzu.
Rosina. An diesem Morgen hatte noch keiner von uns auf das angespielt, was in der Nacht zwischen euch geschehen war. Ich hätte mich schwarzgallig zeigen müssen: der junge Schützling, der mir vom Großherzog Ferdinando und seinem Bruder Mattias anvertraut ist, darf natürlichen Bedürfnissen keinen freien Lauf lassen, es sei denn, er handelt wider die Natur – das ist es, was deine Padroni von dir erwarten.
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