Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
Zufriedenheit zu leben, damit du den Gegenstand deines Elends nicht immer vor Augen hast. Es wird wie ein Schlaf der müden Gedanken sein, wenn du die Augen vor der Erkenntnis deines Schicksals eine Weile geschlossen hältst, um sie nach dieser kurzen Erquickung umso weiter zu öffnen. Und mit Bedacht sage ich: kurz, denn leicht würde sich die |53| Ruhe in Lethargie und Tod verwandeln, wenn du zu oft zu dieser flüchtigen Erholung greifen würdest.«

    Mit einer bittenden Handbewegung machtest du meiner Rede ein Ende. Mehr Milch brauchtest du nicht, denn wer wachsen muss, dem genügt es, sich vom Wind zu nähren, um sich erheben zu können.

DISKURS V
    Darin man etwas über die Galeerensträflinge und sodann über Malagigi erfährt, den Fürsten aller römischen Kastraten, halb Mensch, halb Legende.
    Ich verließ das Kastell am Heck und ließ dich allein, um mich zu den Bänken der Ruderer zu begeben. Sie waren nur zur Hälfte besetzt. Ich bat einen der erfahrenen Matrosen um eine Erklärung.
    »Wir haben Winter, es gibt genügend Wind«, antwortete er.
    Und das Rettungsboot, mit dem die Menschen in Sicherheit gebracht werden, wenn das Schiff untergeht? Sonderbar, hier gab es nicht nur eines, wie üblich, sondern zwei: eines an Bord und eines, das hinter dem Schiff hergezogen wurde.
    »Ist immer besser, eines in Reserve zu haben«, erklärte er. Die Galeerensträflinge, fuhr er fort, waren Diebe, Mörder und Betrüger, doch auch simple Gemüter, einige hatten sogar ein heiteres Naturell. Obwohl die Menschen auf See wie die Fliegen starben, würden viele der Zwangsarbeiter das Leben auf der Galeere niemals aufgeben, da es für einen Galeerensträfling auf dem Land keine Zukunft gab. Einst brachten sie sogar ihre Frauen an Bord, wenn sie welche hatten, oder Geliebte und Huren, die sie sich aus den Häfen holten, und ohne Scham besaßen sie diese Frauen zwischen den Ruderbänken unter den Augen ihrer Kameraden. Wurde die Fahrt unterbrochen, verdienten sie sich in den Häfen ein wenig Geld mit dem Verkauf von kleinen Gegenständen, die sie an Bord hergestellt hatten, oder sie boten ihre Dienste an oder machten Musik auf den Straßen und in Wirtshäusern. Darum konnten an Bord fast alle, ob Berserker oder Winzlinge, recht ordentlich die Trompete oder Oboe spielen. Gewiss, war man im Hafen angekommen, |54| mussten sie sich damit abfinden, zu zweit mit einer Kette aneinandergefesselt zu werden. Lediglich die türkischen Sklaven, die die Sprachen der christlichen Länder nur stammeln, konnten keine Fluchtpläne schmieden und wurden darum ohne Ketten von Bord gelassen. Ohnehin sei es besser, fügte er flüsternd hinzu, so wenig Türken wie möglich an Bord zu haben.
    »Jetzt herrschen andere Zeiten«, erklärte der Matrose darauf mit lauter Stimme. »Die Frauen der Ruderer und die Weiber vom Hafen dürfen nicht mehr an Bord. Doch wenn sie keine Vergnügungen mehr haben, werden die Seeleute böse oder zu Päderasten. Und das verdirbt die Stimmung auf dem Schiff.«
    Während ich mich so unterhielt, sah ich, wie du aus dem Kastell herauskamst und dich an die Brüstung lehntest. Von Zeit zu Zeit warf ich einen Blick auf dich. Stumm und einsam standest du dort, und während du, den Blick starr auf den Horizont gerichtet, über meine Worte grübeltest, ritzte der Sporn deiner Stiefel nervös das Holz des Kiels. Nicht, dass ich etwas Neues, Unerwartetes gesagt hätte, doch es ist niemals leicht, die traurigen Wahrheiten, die man im Herzen trägt, von anderen gesagt zu bekommen. In diesen Momenten fingst du an, im Honig deiner Jugend zu graben, um herauszufinden, ob sich unter dieser trüben, klebrigen Materie jene scharfen Klingen befanden, die man im großen Wettkampf des Lebens benötigt. Deine stets weit geöffneten, runden Augen begannen damals, schmaler, kantiger zu werden, und als du den Blick hobst, blitzten die fast dreieckigen Pupillen wie Dolche aus der Dunkelheit. Du hattest deine Verzweiflung umhüllt und versiegelt und sie auf den Grund des Meeres deiner Seele geworfen. Niemand würde sie dort entdecken. Du warst sehr darauf bedacht gewesen, unser Gespräch ohne Abschluss zu lassen, und würdest nicht mehr darauf zurückkommen, damals nicht und auch später nie mehr.

    Dann sah ich dich den Oberkörper straffen, die Schultern nach hinten ziehen und eine Arie anstimmen, um in Übung zu bleiben. Denn erneut packte dich die Ungeduld, endlich nach Paris zu gelangen und zu erfahren, was das Schicksal für dich bereithielt.

Weitere Kostenlose Bücher