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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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im Dienste der Gesundheit müsse das anale Vergnügen allen erlaubt sein.
    Trouiller ist auf diesem Gebiet eine lebende Enzyklopädie: Sogar Hippokrates, sagt er, verschrieb die »subtile Kunst« als bestes Heilmittel gegen Ruhr und Entzündung der Eingeweide. Viele alte Männer, sagt er, lassen sich gegen Hämorrhoiden von hinten nehmen, und viele junge Männer tun es aus Vergnügen, nicht wegen des Geldes. Die Pocken zieht man sich zu, wenn man sich von einem Infizierten den Schwanz in den Hintern stecken lässt, genauso wie wenn man von seinem Teller isst. Der Ausfluss aus dem After hingegen ist nichts anderes als ein schleimiges Geschwür, das Trouiller sogar bei Achtzigjährigen fand, als er im Hospital San Giovanni in Laterano Dienst tat. Die Wülste, welche von Ärzten spaßeshalber auch »Hahnenkamm« oder »Adelswappen des Kardinals Gallo« genannt werden, sind eben jene Geschwüre, die durch zu heftiges oder zu häufiges Reiben des Afters entstehen, der aufgrund seiner muskulösen Natur zu Abschürfungen und Entzündungen neigt. Einige dieser Wülste sehen wirklich aus wie hängende Hahnenkämme und sind zwei-, drei Fingerbreit lang, andere sind kurz und liegen übereinander wie Erdbeeren
à la française
, bemerkt Trouiller amüsiert. Auf jeden Fall hindern sie |340| am Gehen und Sitzen (wenn Italiener sich über jemanden lustig machen, der diese Probleme hat, sagen sie: »Setzt Euch, wenn Ihr könnt«), und wenn sie aufschürfen, führen sie leicht zur Gangrän. Der Chirurg muss sie rund um das Afterloch abschneiden, die Wunden mit einem glühenden Eisen ausbrennen und zuletzt alles wie eine normale Verbrennung behandeln. In Rom können junge Männer sich in Krankenhäusern dieser Behandlung unterziehen, ohne eine Strafe fürchten zu müssen, vor allem im San Giacomo degl’Incurabili und im Santo Spirito. Nicolò, ein Chirurg im degl’Incurabili, hat Trouiller erzählt, ein junger Mann habe sich viermal behandeln lassen. Bei solchen Patienten machen die Ärzte gern Witze: »Komm her, mein Süßer, ich will dir einen schönen neuen Arsch machen.« In Neapel dagegen bekommen sie vor der Behandlung fünfzig Peitschenhiebe. Naudé erzählt, dass man sie in Paris erst nach der Behandlung auspeitschen lässt. Das Gespräch hat die Stimmung zwischen den drei Freunden gelockert und Trouiller die Zunge gelöst, er spult die Namen aller Franzosen in Rom ab, die zweifelsfrei zu den Starken Geistern gehören.
    Was für eine schöne Konversation und wie viele lehrreiche Einzelheiten! Bouchard kommt Trouiller erneut besuchen, er findet ihn sehr gebildet, wohlerzogen und galant. Schließlich handelt es sich im Grunde nicht um Plaudereien, sondern um Philosophie. In diesen ersten Monaten des Jahres 1632 wird Trouiller an das Bett eines berühmten Sterbenden gerufen: Antonio Bosio, der renommierte Archäologe und Erforscher der römischen Katakomben. Machen wir einen Aderlass bei ihm, sagt der französische Arzt. Die Anwesenden protestieren: Er liegt im Sterben, warum soll man ihm die letzten Kräfte nehmen? Sie rufen stattdessen einen Priester, damit er die Letzte Ölung erhält. Trouiller insistiert, er will einen Aderlass machen, damit der Tod sanfter wird. Bosio, ein Johanniterpriester, stirbt ohne Sakramente.
    Aber für Trouiller ist das kein Problem. Ärzte stehen seit jeher im Ruf des Atheismus. Wie sagt das Sprichwort? Suche drei Ärzte und du wirst zwei Ungläubige finden. Trouillers Bibliothek ist voll ketzerischer Bücher, als er stirbt, muss seine Frau sie heimlich verkaufen. Es ist zweifellos die Bibliothek eines Atheisten, eines Freundes der Starken Geister, dessen Skeptizismus sich in höchste Höhen aufschwingt, wenn er gegen die Unsterblichkeit der Seele polemisiert.

    |341| Wenn Bouchard wirklich gewollt hatte, dass diese Schriften erhalten blieben, wäre es dann nicht logischer gewesen, wenn er sie Naudé anvertraut hätte, dem alten Komplizen, der ihn bei Trouiller und wer weiß wie vielen anderen Starken Geistern eingeführt hatte? Stattdessen hatte Bouchard sie ausgerechnet dem Cavaliere und Commendatore Cassiano dal Pozzo überlassen, einem strengen Gelehrten, Archäologen, Antikenforscher, Arzt, Alchimisten, Botaniker und Sammler, dem gebildetsten Mann in Rom. Bouchards guter Ruf war so sicher wie ein frisches Stück Fleisch im Löwenkäfig.
    Wo war Gabriel Naudé, als der Skandal begann? Zur gleichen Zeit war sein Gönner, Kardinal Di Bagni, gestorben. Naudé hatte sich plötzlich ohne

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