Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
Vom Netzwerk:
Licht von Bouchards obszönen Memoiren unverständlich erscheint. Das Motiv und die Ausführenden seines Mordes sind also allen bekannt, keiner zweifelt mehr daran, dass der Unglückliche wegen einer Laune von Marschall d’Estrées umgebracht wurde. Bouchards Vater ist seit Jahren tot, der Stiefbruder hasst ihn, seine Mutter hat ihn nie geliebt. Keiner hat Interesse an der Aufklärung seines Todes, zumal seine Leiche, im fernen Rom begraben, nach Skandal stinkt und man besser die Finger davon lässt.
    Jean-Jacques Bouchard ist dreimal tot: als Mann, als Bürger der Gelehrtenrepublik und als Starker Geist.

    Während Schoppe sprach, hatte ich die lange Liste mit den Ammenmärchen der antiken Historiker hervorgezogen, doch Hardouin, der neben mir saß und sich rasch erholt zu haben schien, hatte mich gebeten, hineinschauen zu dürfen, und blätterte nun nachdenklich darin.
    Unterdessen war auch Naudé wieder bei Bewusstsein.
    »Er ist aus Angst ohnmächtig geworden, nicht durch den Schlag auf den Kopf«, verkündete der Statthalter von Ali Ferrarese lachend.
    »Ihr beide solltet euch noch ein wenig ausruhen«, riet Kemal, »man muss aufpassen. Ihr wisst schon, verborgene Verletzungen … Manche stehen nach einem lächerlichen Unfall sofort wieder auf und zack! fallen tot um.«
    »Wieso tot umfallen?«, fragte Naudé mit tonloser Stimme. Sein Kopf war verbunden, ein Auge zugeschwollen, verkrustetes Blut klebte noch an seinem Gesicht, und sein Ausdruck war der eines Mannes, der sich anschickt, sein Testament zu machen.
    »Innere Blutungen, verborgene Brüche, geplatzte Adern … Bist du nicht Arzt, Nazarener? Ich habe im Kampf viel gelernt, aber müsstest du diese Dinge nicht auch wissen? Bist du nicht in Paris zum Arzt promoviert worden?«
    |344| »Der Paranimf, hihi«, kicherte Schoppe, an die Gruppe gewandt. Er wusste, dass dieses eine Wort genügte.
    »Oooh, geht es mir schlecht«, wimmerte Mazarins Bibliothekar, der anregende Mittelpunkt der Pariser Salons aus dem glänzenden Quartett der Tetrade.
    »Habt ihr jetzt begriffen, liebe Freunde«, schloss Schoppe mit einem Blick auf Naudé, »welch einen Verräter wir unter uns haben? Wer glaubt noch, dass Naudé nicht weiß, dass sein unzertrennlicher Freund Bouchard sich hinter dem Pseudonym Orestes versteckt? Vorsicht also vor Gabriel Naudé, Vorsicht!«
    Jetzt, wo feststand, dass Naudé seiner eigenen Angst, nicht dem Balken zum Opfer gefallen war, konnte der Verehrungswürdige sich nach Belieben an ihm schadlos halten.
    »Ich muss zugeben, dass mir einige … sagen wir, Details dieser Freundschaft unbekannt waren«, gestand Guyetus, vielsagend eine Augenbraue hebend, »doch ich glaube immer noch, dass unser Naudé den Decknamen seines Freundes nicht gekannt haben muss, da er kein Philologe ist.«
    In diesem Moment krümmte Hardouin sich vor Schmerz und fasste sich an die Rippen. Wir öffneten seinen Mantel und entdeckten, dass seine Kleider blutgetränkt waren. Erschrocken riefen wir nach Kemal.
    »Wie ich befürchtet habe. Eine Blutung, die wahrscheinlich von inneren Verletzungen herrührt. Schwer zu beurteilen. Vielleicht nur ein kleine Vene, die sich nicht schließen will, vielleicht auch etwas Schlimmeres im Körperinneren. Betet zu eurem Gott, Nazarener, dass dieser Mann seine Frau wiedersieht und das Kind erlebt, das ihm geboren werden soll«, sagte Kemal ohne Rücksicht auf den armen Bretonen, der bereits bitterlich weinte.
    »Sei unbesorgt, Nazarener«, sagte der Statthalter in übertrieben tröstlichem Ton, »es tut nicht weh, an inneren Blutungen zu sterben. Du schläfst ein, und es ist vorbei.«
    Verängstigt, wie wir waren, fiel niemandem ein, Kemal für diese unerhörte Rohheit zu tadeln. Der Statthalter legte den armen Hardouin mit unserer Hilfe auf den Boden, und nachdem er die Wunde betrachtet hatte, befahl er Mustafa, ein Feuer zu entfachen. Dann bat er um eines seiner Messer.
    Die Bitte löste besorgtes Murmeln in der Gruppe und ein schwaches Zusammenzucken des am Boden liegenden Buchhändlers aus.
    |345| »Ich muss seine Wunde verätzen«, erklärte Kemal knapp.
    »Warum?«, fragte Guyetus mit hauchdünner Stimme.
    »Was weiß ich? Aber das machen die Barbaresken immer bei solchen Wunden. Manchmal klappt es sogar, und der Verletzte stirbt nicht.«
    Wir fragten Hardouin, ob er einverstanden sei. Nachdem er von uns erfahren hatte, dass seine Verletzung immer noch stark blutete, gab er Kemal freie Bahn. Dann fing er schluchzend an, den Rosenkranz zu

Weitere Kostenlose Bücher