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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Verwandten, Freunden, Schulkameraden, erotische Spielchen, die meist mit seinem Versagen enden, aber so explizit beschrieben werden, dass sie fast eine Lektion in Anatomie abgeben. Das Ganze gewürzt mit schändlichen Bekenntnissen: |336| Diebstahl, Lügen, Verschwörungen gegen Verwandte, Unwahrheiten im Beichtstuhl materieller Vergünstigungen wegen, brutal gebrochene Heiratsversprechen.
    Doch vor allem seine Streifzüge mit Gabriel Naudé: In den ersten Monaten begegnen sie sich nur zufällig in den Vatikanischen Gärten. Sie sprechen vage über einen gemeinsamen Freund der Tetrade, den jungen Priester Gassendi, der sich in Paris mit Leib und Seele der Arbeit über den Atheisten Epikur hingibt. Leicht finden sich gemeinsame Themen und Interessen, es genügt, dass im Gespräch der Name des großen skeptischen Philosophen Pyrrhon fällt, dem zufolge nichts erkennbar ist, schon verstehen die beiden sich glänzend. Im Februar des darauffolgenden Jahres 1632 festigt sich ihre Freundschaft endlich. Sie ergänzen einander: Naudé ist spritzig, Bouchard schüchtern. Ersterer von angenehmem Äußeren, Letzterer klein und unscheinbar.
    Es ist Karneval, überall herrscht eine freizügige Atmosphäre, die zu Ausschweifungen ermuntert. Fast erschrocken über die Sittenlosigkeit der Italiener gehen Naudé und Bouchard gemeinsam durch die Straßen Roms, in denen sich das Volk drängt, und halten nach Theatervorführungen und Attraktionen Ausschau. Mühsam bahnen sie sich einen Weg durch die Menge, stolpern über Karren, auf denen Akrobaten und Schmierenkomödianten ihre Künste vorführen, während die Reichen sich zu Pferde oder in der Kutsche bewegen und ihre Lakaien blindlings Peitschenhiebe nach rechts und links austeilen. Leicht kann man überfahren oder von einem Sbirren niedergeknüppelt werden. Von überall her hagelt es ausgeblasene Eier, die mit Wasser, Mehl oder Marmelade gefüllt und eingewachst wurden. Jeder wirft mit diesen Eiern, einfaches Volk, Priester, Jung und Alt, reiche Aristokraten und zerlumpte Juden aus dem Ghetto. In der Via del Corso wird Bouchard von einem vergoldeten, lackierten Ei, das Don Taddeo Barberini, der Präfekt von Rom und Neffe des Papstes geworfen hat, mitten ins Gesicht getroffen. Das Ei hat ihm die Brille zerbrochen, aber – oh Wunder! – es ist mit feinstem Puder gefüllt. Plötzlich das Klappern von Hufen, ein Schrei
Eviva
! und man muss schnell beiseitespringen, wenn man nicht totgetrampelt werden will, denn das Wettrennen der Berberpferde läuft hier entlang, gefolgt vom Rennen der Esel, auf denen Kinder reiten. Die Leute aus dem Volk kugeln sich fast die Arme aus, so begeistert winken sie, denn nun wird Kardinal |337| Ludovisi in seiner ganz mit schwarzem Samt gepolsterten Sänfte durch die Straße getragen. Dann folgt eine Kutsche ohne Dach, vollbesetzt mit Kardinälen, die sich am Anblick der Damen auf den Balkonen erfreuen. Gelächter ertönt, Witze und Beleidigungen schwirren durch die Luft; die Gruppe der Alten, allesamt nackt, rennt vorüber, gefolgt von den Jungen und den Kindern und zum Schluss den Juden, ebenfalls nackt, aber mit dem gelben Hut auf dem Kopf. Schon will die Menge wieder zusammenströmen, nein, da laufen noch die Kühe vorüber, und als alle am Ziel, der Piazza San Marco, angekommen sind, werden direkt vor den Färsen Feuerwerke und Funkenräder abgebrannt, und es gewinnt die Kuh, die nicht erschrickt und bis zum Zielpunkt weiterläuft. Aus den Fenstern der umliegenden Palazzi werden Fahnen geschwenkt, Knallfrösche explodieren, auf die Köpfe der Passanten regnet es Orangen oder aus riesigen Spritzen wird Wasser versprüht. Prunkkarren fahren vorüber: der König der Buckligen mit über dreißig Buckeln und der König der Kacker, der auf einer Sänfte mit einem Loch in der Mitte sitzt.
    Amüsiert und ein wenig abgestoßen von diesen dreisten, rauflustigen Italienern gehen Bouchard und Naudé Arm in Arm und stützen einander. Die heimlichen Starken Geister fühlen sich dem gemeinen Volk und diesen leichtgläubigen Priestern unendlich überlegen. Alle sind maskiert: Bären, Teufel, Medikaster mit Nachttopf und Klistier, Advokaten mit Feder, Gesetzbuch und Kladde. Nur sich als Priester zu verkleiden ist verboten, aber manch einer tut es doch. Die beiden Franzosen schließen sich einer Gruppe von vier Italienern an, steigen, mit Perücke und Schönheitsflecken als Frauen verkleidet, in eine Kutsche und lachen, endlich lachen auch sie, bewerfen Passanten mit

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