Das Mysterium der Zeit
Naudé, dessen Gesicht sich rot färbte.
»Genau das«, bestätigte ich.
»Geeignet wozu?« Guyetus tat, als hätte er nicht verstanden, obwohl er nur allzu gut wusste, was ich meinte, und schon die ersten Zeichen einer Übelkeit zeigte.
»Die kostbaren Handschriften zu bekommen, das Erbe des großen |373| Poggio Bracciolini, von denen Philos Ptetès in dem Brief an Euch berichtet, Signori«, erklärte ich höflich.
»Ich muss doch sehr bitten! Was für eine absonderliche Idee ist Euch da gekommen! So benimmt man sich nicht unter Gelehrten!«, trällerte Schoppe mit einem krampfhaften Lächeln, insgeheim erschreckt von der Möglichkeit, meine Vermutung könne einen wahren Kern haben.
»Eure Ignoranz erstaunt mich! Was für eine Art Secretarius seid Ihr?«, beschimpfte auch Guyetus mich böse.
»Wir sind keine Schüler, die abgefragt werden müssen!«, kreischte Naudé mit beunruhigten Seitenblicken auf seine Kollegen.
Ach, armer Secretarius! An diesem schwarzen Tag hatte ich mich bei meinen Reisegefährten gründlich unbeliebt gemacht. Erst hatte mein Unwohlsein die Rettung durch das unvermutet vorüberfahrende Schiff vereitelt, dann hatten sie mir vorgeworfen, ihnen nicht rechtzeitig mitgeteilt zu haben, dass die Stadt auf Nusquama Amauroto genannt wurde, und jetzt verstimmte ich sie mit meiner Vermutung, dass Philos Ptetès prüfender Blick auf ihnen ruhen könnte.
Naudé war besonders wütend auf mich. Nachdem er dich und mich unter dem Vorwand der Jagd anhand seiner kostbaren Schatzkarte auf die Suche nach dem Mönch mitgeschleift und uns durch Erpressung zu Komplizen seiner Pläne gemacht hatte, fühlte er sich jetzt verraten: Ausgerechnet ich hatte seine größte Angst ausgesprochen, nämlich Philos Ptetès nicht als Erster zu erreichen, sondern ihn mit dem Philologen Guyetus und vor allem mit dem verhassten Schoppe teilen zu müssen, die beide, im Gegensatz zu ihm, Adressaten des Briefes waren.
»Vergessen wir die phantasievolle Hypothese unseres Secretarius«, schlug Naudé vor. »Habt Ihr diese sonderbaren Koinzidenzen bemerkt? Sowohl der Hinkende als auch Ptetès wurden von einer Schlange gebissen, beide sind häufig auf der Piana dei Morti. Außerdem trägt einer der beiden Bauersleute eine große Tasche über der Schulter, was an die vier großen Taschen erinnert, die Ihr bei Philos Ptetès saht, als er vor zwei Jahren auf der Insel ausgesetzt wurde. Es gibt drei Möglichkeiten: Entweder Philos Ptetès ist der Hinkende. Oder er ist einer der beiden anderen. Die dritte: Er ist auf der Insel an einem Ort versteckt, den die drei uns noch nicht genannt haben.«
»Wie wollt Ihr herausfinden, welche der drei Möglichkeiten der Wahrheit entspricht?«, fragte Hardouin.
|374| »Ihr beiden!«, rief Guyetus aus, wobei er aufsprang und drohend wie eine Pistole den Zeigefinger auf uns richtete, »Ihr seid die einzigen, die Philos Ptetès ins Gesicht gesehen haben! Wie kommt es, dass Ihr ihn nicht erkannt habt?«
»Versteht doch«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, »es ist viel Zeit vergangen. Und wir haben sein Gesicht damals nicht genau betrachtet. Für uns war er ein beliebiger Passagier! Habe ich recht, Signorino Atto?«
»Natürlich«, bestätigtest du, gepeinigt von der Vorstellung, die flüchtige Erscheinung wiedererkennen zu müssen, der fast alle von uns hinterherjagten.
»Der Junge hat in seinem zarten Alter sicherlich ein besseres Gedächtnis als wir alle zusammen«, erklärte Hardouin.
»Also los!« Mit einem Schlag auf den Rücken trieb Schoppe dich an wie eine junge Stute, die sich weigert, die Kutsche zu ziehen. »Welcher der drei könnte es sein?«
Ausweichend erklärtest du, der Mönch, den wir vor zwei Jahren gesehen hatten, habe einen Bart gehabt wie alle drei Bauern, und weil zwei Jahre eine lange Zeit seien, könntest du weder beschwören, dass Philos Ptetès unter den dreien sei, noch dass er es nicht sei. Das hätte jedem eingeleuchtet, nur unseren drei gierigen Gelehrten nicht. Unterdessen zog Naudé mich am Jackenärmel beiseite.
»Signor Secretarius, ich mache nie viele Worte. Seine Eminenz Kardinal Mazarin hat schier unbegrenzte Möglichkeiten, mehr muss ich nicht sagen. Ich will das Alleinrecht. Ihr könnt es dem jungen Atto selbst sagen: eine Pension auf Lebenszeit vom französischen König und eine Sinekure in einer schönen Diözese der Bretagne oder Provence. Wenn der Kardinal ein gutes Wort einlegt, kann die Bestätigung aus Rom schon in weniger als drei Monaten da
Weitere Kostenlose Bücher