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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Margherita Costa, die Schwester der Checca? Sie sollte sich mit uns einschiffen, wurde aber im Hafen von Livorno nicht gesehen, und es hieß, sie sei schon mit einer anderen Galeere der französischen Kriegsmarine abgereist. Ihre Schwester kannte ich gut, die berühmte Sopranistin, eine recht großgewachsene, gertenschlanke Frau, blaue Augen, feine blonde Haare und sehr fleischige Lippen. Schwer vorstellbar, dass Barbello, ein kleines, rundliches Geschöpf mit schmalen Lippen, dunklen Augen und Locken, ihre Schwester sein sollte.
    Schon bald schob ich diese Überlegungen beiseite. Viel wichtiger war, was in dir heranreifte: die bewährte Doppelzüngigkeit, die Gabe, etwas zu sagen und es nicht zu sagen, die Kühnheit, mit der du mir im Grund bedeutet hattest: rede du nur, ich tue, was ich will, weil ich dich hereinlege.
    |377| Schon jetzt erwartete ich besorgt den Morgen, an dem du in demselben Bett, in dem du als verschlossener, widerspenstiger, zum Gehorsam verpflichteter Jüngling eingeschlafen warst, als erwachsener Mann erwachen würdest, der wählt, beschließt und befiehlt. Ein herrlicher oder schrecklicher Morgen?

DIALOG
    Darin man versucht, vor Philos Ptetès eine gute Figur zu machen, ohne zu wissen, wer er ist oder ob er überhaupt anwesend ist, doch schließlich in Streit gerät.
    Zum Abendessen wurde das Wenige serviert, was die kargen Vorräte im Keller neben der Kirche boten. Es war zu spät, um noch auf Jagd nach Wild zu gehen, außerdem wollte Naudé die drei Bärtigen um nichts in der Welt aus den Augen lassen. Philos Ptetès hätte sich ja in seiner Abwesenheit den anderen offenbaren können, und dann Adieu Handschriften! Die Tischrunde bestand aus dreizehn Personen, die sich die dürftigen Speisen teilen mussten. Da ich zunächst andere körperliche Bedürfnisse befriedigen musste, kam ich als letzter zu Tisch, wenn man unser Provisorium vor dem Kamin des Turms so nennen durfte. Kaum hatte ich mich gesetzt, spürte ich die trübe, gereizte Stimmung, die dort herrschte.
    Die drei rustikalen Gesellen verspeisten, ohne sich lange zu zieren, alles, was ihnen auf den Teller gelegt wurde. Am Gespräch beteiligten sie sich mit keiner Silbe. Um sie herum wogte eine fast mit Händen zu greifende Wolke aus den unausgesprochenen Fragen, die unsere Gelehrten beschäftigten. War einer der drei bärtigen Bauern Philos Ptetès? Oder wussten die drei nur, wo der geheimnisvolle Mönch zu finden war? Mit welcher Frage konnte man sie aus der Reserve locken? Würden sie Auskunft geben oder uns nur geschickt auf eine falsche Fährte führen?
    Der Zufall wollte es, dass mir der Platz neben deinem falschen Barbello angeboten wurde. Das hinter dem Schleier der Verstellung verborgene Weib empfing mich vollkommen gleichgültig, ohne einen Blick, ohne jeden Gruß. War sie denn nicht dieselbe, dich mich fast mit Gewalt in ihrem Schoß empfangen hatte? Ich wand mich zwischen |378| widerstreitenden Gedanken hin und her: Verachtete sie mich, weil sie erwartete, dass ich sie erkannte? Unmittelbar nach unserer Vereinigung schien sie wirklich überrascht, dass ich nicht wusste, wer sie war. Doch warum hätte ich es wissen sollen? Andere Frauen als meine liebe Gemahlin hatte ich nur in meiner Jugend kennengelernt. Dieses Weib hier war mithin viel zu jung, um eine meiner früheren Flammen zu sein.
    Vielleicht war ihr Schweigen auch nur deiner Gegenwart geschuldet (du saßest an ihrer Seite). Du durftest nichts argwöhnen, es hätte dich verletzen können. Ich sah deinen linken und ihren rechten Arm sich bewegen, als suchten eure Hände sich unter dem Tisch. Mein Gott, wie mutig von dieser Frau, sich seit Tagen als Mann auszugeben ohne Angst vor Entdeckung! Nur weiblicher Wahnsinn, dachte ich, kann männliche Geistesschärfe so leicht täuschen. Wer bist du, verkleidete Frau? Doch ein armer Secretarius muss ganz andere Dinge im Geist bewegen, am allerwenigsten Frauengeschichten. Denn Münder und Ohren der Frauen empfangen viele Geheimnisse, doch ebenso viele geben sie preis. Und Geheimnisse sind der einzige wahre Schatz, den ein Secretarius kraft seines Amtes in jedem Augenblick schützen muss. Doch alsbald wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
    »Wir erleben einen unwiederholbaren historischen Moment!«, hub Naudé überraschend an, das gedämpfte Stimmengewirr am Tisch übertönend. »Einen historischen Moment, sage ich, in dem jahrhundertealte Ketten, die den Menschen und seinen Geist gefangen hielten, endgültig fallen. Und

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