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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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mir eine Hand auf die Schulter. »Wir haben Euch ungerecht behandelt. Irren ist menschlich, anderen die Schuld geben noch mehr, stimmt’s?«, fragte |371| er seine gelehrten Kameraden, die verlegen die Augen senkten. »Wir hatten bereits alles Notwendige gehört, um zu erkennen, dass die Verrückte aus Thomas Morus’
Utopia
zitierte. Ebenso haben wir nichts bemerkt, bis unser verehrungswürdiger Schoppe in dem Namen Taprobana die von Campanella beschriebene Idealstadt erkannte.«
    »Wirklich sonderbar«, warfst du ein, »diese Geschichte vom Gold und Silber, das nichts wert ist und durch Eisen ersetzt wird, gibt es sowohl in Plutarchs Bericht über Sparta als auch in Thomas Morus’ Utopia oder Nusquama. Und bei allen dreien, auch in Campanellas Taprobana gibt es das gemeinsame Essen, die Kontrolle über das Privatleben der Bürger …«
    Naudé, Schoppe und Guyetus wechselten einen deprimierten Blick. Nusquama, die Insel von Thomas Morus, hatte den drei Gelehrten bei unserer Diskussion über Lykurg als Beweis gedient, dass auch sein Sparta, trotz aller Unwahrscheinlichkeiten, wirklich existiert hatte. Deine unschuldige, aber gnadenlose Feststellung fiel wie ein Grabstein auf ihre gelehrten Ausführungen: Abermals gab es nicht den geringsten Beweis, dass das von vielen antiken und modernen Historikern gelobte Sparta des Lykurg mehr war als ein Phantasiegebilde. Sicher war nur, dass Campanella und Morus sich von Erzählungen über das mythische Sparta inspirieren ließen. Da unsere gelehrten Gefährten im Unglück kein Wort mehr zur Verteidigung Spartas wagen wollten, wurde deine Feststellung mit tiefem Schweigen quittiert.
    So standen wir nun ohne Sparta und Lykurg, ohne Nusquama und Taprobana da, vor allem aber ohne eine Stadt, von der aus wir Gorgona verlassen konnten.
    »Eines würde ich noch gerne wissen«, unterbrach ich das Schweigen. »In welches Jahrhundert fällt eigentlich das von Plutarch beschriebene Sparta Lykurgs?«
    Naudé, Schoppe und Guyetus blickten sich zögernd an.
    »Das weiß man nicht. Plutarch selbst sagt, dass man nichts Gewisses über Lykurg weiß«, antworteten sie fast einstimmig.
    »Aber seine Gesetze und seine Regierung beschreibt er, als hätten sie wirklich existiert«, wandte ich ein.
    »Ja, und andere Historiker stimmen mit ihm überein«, antwortete Hardouin mit einem strengen Blick auf die anderen drei, die stumm zu Boden starrten, offenbar wenig geneigt, die unbequeme Wahrheit zu bestätigen.
    |372| »Dann verstehe ich immer weniger«, drängte ich. »Wenn man über Lykurg nichts Gewisses weiß und seine Gesetze für unsere Ohren zumindest ungewöhnlich klingen, könnte er dann nicht auch eine reine Phantasie sein? Und ich frage mich: Wenn es nicht diese Gesetze und diese Regierung waren, was hat es dann gegeben? Etwas anderes oder gar nichts? Muss im letzteren Fall die Zeit Lykurgs, so wie Plutarch sie erzählt, aus der Geschichte des alten Griechenland gestrichen werden?«
    »Das müsste man diesen Betrüger Scaliger fragen!«, krächzte Schoppe.
    »Ach, was geht uns die Zeit an«, schnitt Guyetus ihm verärgert das Wort ab, »uns beschäftigen hier und jetzt ganz andere Fragen!«
    »Genau«, bekräftigte Naudé, »wir könnten kurz davor sein, Philos Ptetès zu fassen zu kriegen. Vielleicht sogar in ein paar Minuten.«
    »Minuten?«, fragtest du, nachdem du deine Blicke lange über uns alle hattest schweifen lassen, um, wie mir schien, die stumme Sprache der Körper zu studieren, statt auf das Gesagte zu achten.
    »Gewiss doch. Dass alle, die hier auf der Insel leben, mit phantastischen Erzählungen von Thomas Morus, Campanella oder Rabelais vollgestopft sind, ist ein deutliches Zeichen: Wer hat ihnen diese Bücher gegeben, wenn nicht Philos Ptetès selbst? Er war ein Literat und sehr belesen, das steht fest. Die Soldateska des Großherzogs der Toskana, die manchmal auf der Insel stationiert ist, oder diejenigen, die hier Wasservorräte holen, waren es bestimmt nicht. Das bestätigt uns, dass der Mönch, wer immer es ist, hier gelebt und Spuren hinterlassen hat. Die drei Schlauberger, deren Namen wir übrigens nicht einmal kennen, wissen zweifellos viel mehr als sie uns weismachen wollen.«
    »Ihr habt recht!«, pflichtete ich bei. »Könnte das versteckte Zitat aus Campanellas
Sonnenstaat
nicht sogar ein Köder sein, den der Mönch ausgelegt hat?«
    »Ein Köder?« Guyetus fuhr zusammen.
    »Meint Ihr einen Köder, um herauszufinden, wer von uns geeignet ist?«, fragte

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