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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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ich wette, sie haben das Buch hier auf Gorgona zur Hand.«
    Das war eine weitere Niederlage für die Gelehrten: Bevor der erste der drei Bärtigen aus der Deckung gekommen war und den Namen Taprobana erwähnt hatte, hatte keiner bemerkt, wie sehr ihre Beschreibung der von Campanella imaginierten Stadt glich.
    »Dann vielleicht auch der Bericht von Nummer Drei …?«, fragte Guyetus nachdenklich.
    »Das Mädchen sagte, die Insel heiße Nusquama«, warf ich ein, »und die Stadt Amauroto …«
    »Amauroto?!«, fuhr das ganze gelehrte Grüppchen zusammen wie von tausend Skorpionen gestochen. »Wann hat sie denn gesagt, dass die Stadt Amauroto heißt?«
    »Signori, Ihr habt die arme Frau nicht gehört, weil Ihr zu sehr mit Monsire Naudés Insularium beschäftigt wart …« erklärte ich, verlegen berührt von den scharfen Blicken, die sich auf mich richteten.
    »Und mit dieser Information rückt Ihr erst jetzt heraus?«, wetterte Schoppe. »Hätten wir das damals gehört, hätten wir sofort erkannt, dass es sich um Utopia handelt, die imaginäre Insel, über die der große Thomas Morus im vergangenen Jahrhundert einen Traktat verfasste. Auf diese Insel verlegte er seine ideale Stadt, die Amauroto hieß! Hättet Ihr uns das sogleich berichtet, wäre uns alles klar gewesen!«
    »Natürlich!«, schäumte auch Naudé, die Augen verdrehend, als wäre meine Nachlässigkeit ein Dolchstoß in den Rücken.
    »Wahrhaftig!«, echote Guyetus kopfschüttelnd und blickte mich verächtlich an.
    Vernichtend waren die bösen Blicke, die die vier auf mich warfen. Zu groß war die Versuchung, mir, dem armen Secretarius, die ganze Schuld für ihr klägliches Versagen in die Schuhe zu schieben.
    »Nusquama«, buchstabierte Hardouin nachdenklich. »Diesen Namen haben wir von der Irren vernommen. Doch keiner von uns hat daran gedacht, dass er vom lateinischen
nusquam
herrührt, was bedeutet ›an keinem Ort‹. Und wie heißt ›kein Ort‹ auf Griechisch?
›U topòs‹

    »Also Utopie«, schloss Schoppe, nervös mit den Fingern auf ein Brett im Hühnerstall trommelnd.
    »Genau. Dabei fällt mir ein, leider zu spät, dass Nusquama der ursprünglich von Morus für seinen Traktat vorgesehene Titel war …«, flüsterte Guyetus, abermals von seiner Unfähigkeit niedergedrückt.
    |370| Unterdessen schritt Naudé nachdenklich durch den Hühnerstall. »Im Bericht von Nummer Drei stimmt tatsächlich alles mit Thomas Morus’ Beschreibung überein. Die gemeinschaftlichen Speiseräume, die Lager für die Ernteerträge, die zwischen allen geteilt werden, die kostenlosen Krankenhäuser, Gold und Silber, die nichts wert sind … Alles Phantasien aus der berühmten Beschreibung von Utopia. Ach, warum habe ich das nur nicht früher bemerkt?«
    »Und es gibt noch mehr«, sagte Schoppe. »Habt Ihr den Roman
Gargantua und Pantagruel
von Rabelais gelesen?«
    »Selbstverständlich«, sagte Naudé, als Franzose ein Landsmann des berühmten François Rabelais, eines Mönchs mit bewegter Vita, der den geistlichen Stand verließ, eine Witwe schwängerte, Arzt wurde und mehrere gelehrte und sehr kuriose Bücher schrieb.
    »Nun, Gabriel, wenn du an die Abtei denkst, die uns diese drei Hühnerdiebe beschrieben haben, fällt dir da nichts ein?«, fragte Schoppe herausfordernd.
    Der Bibliothekar des Kardinals überlegte kurz, hob die Augen zum Himmel und schlug dann verzweifelt die Hände vors Gesicht:
    »Himmel! Auch die Abtei! Sie ist ein Plagiat von Rabelais’ Abtei von Thelema! Der sechseckige Grundriss, die sechs Stockwerke, die Türme, die Zimmer voller Spiegel, das Leben ohne Regeln … Jemand muss diesen drei Hinterwäldlern ein Exemplar des
Gargantua
mit den Kapiteln über die Abtei in die Hand gedrückt haben.«
    »Worum geht es da?«, fragte ich.
    »Es ist die Beschreibung einer großen imaginären Abtei«, antwortete Schoppe, während er Naudés Beschämung mit kaum verhohlener Befriedigung zur Kenntnis nahm, »wo Rabelais’ Ideal einer freien Gemeinschaft von Männern und Frauen verwirklicht wird, die das Schöne, Wahre und Gute pflegen. Mehr oder weniger wie unsere drei Krauter erzählt haben.«
    »Natürlich hat es so etwas nie gegeben«, murrte Naudé, noch immer empört die Fäuste ballend. »Die Abtei entspringt nur der Phantasie von Rabelais, aber uns haben sie sie als eine echte Abtei hier auf Gorgona untergejubelt. Was für ein Idiot ich bin! Wie konnte ich diesen Trug nicht bemerken?«
    »Vergebt uns, lieber Freund«, sagte Hardouin und legte

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