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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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sie fallen durch die Tat einer Handvoll mutiger Männer, die kühn genug sind, das Alte zu bekämpfen, um das Neue siegen zu lassen!«
    Es war einer der seltenen Gelegenheiten, in denen Mazarins Bibliothekar seinen ungezwungenen Ton zugunsten einer ernsten, fast theatralischen Pose aufgab. Wir sahen einander ein wenig verblüfft an.
    Ich sah Schoppes Blick beunruhigt zwischen Naudé und unseren drei Gästen hin und her irren. Die aßen jedoch weiter, ohne ein Anzeichen, dass sie zugehört hatten. Dieses Mal war Guyetus der Erste, der begriff.
    »Oh ja«, schloss er sich eilfertig an, »wir müssen titanischen Gestalten wie Galileo Galilei, Ferrante Pallavicino, Giulio Cesare Vanini oder auch … Tommaso Campanella dankbar sein.« Hier machte er, zu den drei Gästen hinüber spähend, eine Pause, während Schoppe mit vollem |379| Mund zusammenzuckte und endlich ebenfalls begriff. »Alles Märtyrer des freien Denkens, die mit Kerker, Folter und sogar dem Tod bezahlt haben!«
    »Ich habe Tommaso Campanella, den sanften Dominikaner mit dem Herzen eines Löwen, gut gekannt. Und ich weiß, wie teuer die Papstmacht ihn seine Entscheidung für Mut und Tugend bezahlen ließ. Ach, Tommaso, wie viele Menschen in einem warst du!«, rief Naudé aus und legte sich gerührt eine Hand auf die Brust.
    »Ein großer Märtyrer!«, bestätigte Guyetus, die Augen zur Decke hebend.
    »Ah!« Mit diesem Laut hob der vom Biss einer Schlange Gelähmte, der bis jetzt stumm geblieben war, die Hand.
    Dieser recht knappe und vage Kommentar lief dennoch wie ein Schauder durch das gelehrte Auditorium.
    Hardouin hob belustigt die Brauen und unterdrückte ein Lachen. Jetzt war klar, was Naudé versuchte: Die Gelehrten waren aus der geheimen Zusammenkunft kurz vor dem Abendessen nicht mit einer gemeinsamen Strategie hervorgegangen, im Gegenteil, jeder spielte sein eigenes Spiel, in der Hoffnung, als Erster an den echten Philos Ptetès heranzukommen und sich die ersehnte literarische Beute zu schnappen. Doch die von meiner Wenigkeit geäußerte Vermutung hatte sie alle in größte heimliche Nöte gestürzt. Was war, wenn der slawonische Mönch, der sich vielleicht hinter einem unserer drei Tischgäste verbarg, seine gelehrten Gesprächspartner wirklich erst gründlich studieren wollte, um dann zu entscheiden, wem er die kostbare Last jener alten Handschriften anvertrauen sollte, die Poggio Bracciolini vor zwei Jahrhunderten in den abgelegensten Klöstern Europas gefunden hatte?
    Darum versuchte Naudé jetzt, sich vor unseren drei Gästen schönzutun, um sich die Wertschätzung des unsichtbaren Philos Ptetès zu erwerben. Meine bescheidene Vermutung hatte ihn mürbe gemacht und schließlich dazu gebracht, sich kopfüber den steilen Abhang prahlerisch zur Schau gestellter Weltgewandtheit, des eitlen Prunkens mit dem eigenen Wissen hinunterzustürzen. Wie ein launischer Mars der Literatur hatte der Bibliothekar jegliche Zurückhaltung aufgegeben und stürmte nun gesenkten Hauptes in die Schlacht, eiligst gefolgt von seinen gelehrten Kollegen. Nach jedem Wort wurden die drei Bärtigen gemustert, in der Hoffnung, der wahre Philos Ptetès würde sich |380| offenbaren oder in den Mienen zeige sich wenigstens eine erhellende Regung.
    »Wie auch du weißt, Gabriel, gehörte ich zu den Allerersten und wenigen in Rom und Italien, die während Campanellas Gefangenschaft den Mut hatten, sich mit seinem Fall zu beschäftigen und ihn zu verteidigen«, hub Schoppe in honigsüßem Ton an. »Ich möchte jedoch präzisieren, dass der arme Tommaso in Wahrheit kein Opfer des Papsttums, sondern Spaniens war, da er gut 27 Jahre Kerkerhaft in Neapel absaß, also im spanischen Vizekönigreich, wie du hoffentlich weißt«, schloss er mit dem üblichen Grinsen, das immer um seine Lippen spielte, wenn er Naudés angebliche Unwissenheit attackierte.
    »Ah!«, stimmte der Hinkende abermals zu.
    »Lieber Caspar, Campanella hat nicht weniger als fünf Prozesse in seinem Leben erlitten. Beim ersten Mal wurde er von den Garden des Apostolischen Nuntius verhaftet. Die Anklage lautete, dass er in seinen Schriften der neoplatonischen Philosophie des Bernardino Telesio folge, wie er ein Mönch aus Kalabrien, statt der Aristotelischen Lehre, die durch Thomas von Aquin offiziell von der Kirche übernommen worden war.«
    »Du hast zehn Jahre in Rom gelebt, du bist Secretarius von niemand Geringerem als Kardinal Di Bagni gewesen, dann sogar von Kardinal Barberini und bist jetzt Bibliothekar

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