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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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sich um die Erde drehen, sonst wäre die Bibel unwahr. Galileo verstieß gegen einen Glaubensgrundsatz, und das war sein Untergang. Er wurde zweimal verurteilt, mit Gefängnis und dem Tod bedroht, und musste schließlich widerrufen. Doch im
Dialog über die hauptsächlichsten Weltsysteme
und anderen Schriften konnte er seine Entdeckungen und aus Erfahrungen gewonnenen Überzeugungen schriftlich darlegen, und das war die Geburt der modernen Wissenschaft.«
    Schwungvoll beendete er seine Rede, indem er den Zeigefinger zum Himmel erhob wie ein antiker Rhetor, was die drei Bärtigen mit bewunderndem Murmeln quittierten.
    »Der übliche verfluchte Gottlose«, brummte Schoppe von seinem Posten auf Kemals Rücken, »und Lügner obendrein.«
    »Was willst du damit sagen?«, ereiferte sich Naudé.
    »Das weißt du ganz genau. Zwischen Kopernikus und Galileo liegen neunzig Jahre. In dieser Zeit sind nicht weniger als elf Päpste aufeinandergefolgt, und keiner von ihnen hat Einwände gegen Kopernikus erhoben, ja oft haben sie ihn sogar unterstützt!«
    »Wirklich?«, wunderte sich der Bärtige, der das Papier hervorgezogen hatte.
    »Ein Beispiel genügt: Gregor XIII. vollendete vor sechzig Jahren die Kalenderreform und stützte sich dabei auf die
Prutenischen Tafeln
, die auf Kopernikus’ Theorie aufbauen.«
    »Ah!«, rief der Hinkende aus.
    »Die Päpste interessiert nur, dass sich mit Kopernikus’ Berechnungen die Zeit und die Bewegungen der Planeten exakt messen lassen. Für sie sind diese Berechnungen praktische Werkzeuge. Der Erste, der Kopernikus angriff, war Luther, der ihn einen ›astrologischen Emporkömmling‹ nannte und sagte, seine Theorie sei ›reine Narretei‹.«
    »Du bleibst der übliche Papist, Caspar.« Guyetus schüttelte indigniert |423| den Kopf und wandte sich ebenfalls an den Bärtigen: »Jetzt ist es Luthers Schuld, und die Kirche hat nichts damit zu tun.«
    »Genau so ist es aber, tut mir leid«, erwiderte Schoppe unwirsch. »Melanchthon, Luthers Handlanger, widersetzte sich der Kopernikanischen Wende mit denselben Argumenten, die die römische Kirche achtzig Jahre später benutzte, um Galileo zum Widerruf zu zwingen. Also war der erste und wahre Feind Galileos nicht die katholische Kirche, wie du behauptest, Gabriel, sondern die reformierte aus Deutschland.«
    Zwei der drei Bärtigen wechselten einen erfreut überraschten Blick. Zufrieden registrierte Schoppe den Treffer, ohne sich darum zu bekümmern, welch eine viehische Mühe sein heftiges Fuchteln zur Unterstreichung dieses oder jenes Satzes den armen Kemal kostete, der ihn auf dem Rücken trug.
    »Das ist wirklich eine interessante Geschichte!«, bemerkte der eine vergnügt. »Auch meine Freunde bitten Euch, fortzufahren. Hier langweilt man sich so sehr, besonders im Winter, dass es ein unvergleichliches Glück ist, auf so redegewandte Cavalieri zu stoßen wie Euch.«
    Eines von beidem: Entweder war diese Bitte Ausdruck der reinsten Unschuld, wenn sie aus dem Mund eines überaus schlichten, auf einer entlegenen Insel von der Welt getrennten Geistes gekommen war, oder sie war ein Meisterwerk der Verstellung, wenn derjenige, der sie ausgesprochen hatte, etwas von Philos Ptetès wusste. Aber vorerst gab es keine Möglichkeit, das zu klären: Die groteske Geschichte, auf die wir uns eingelassen hatten, musste ihren Lauf nehmen.
    »Nehmen wir einmal an, es sei, wie du sagst, Caspar Schoppe«, schaltete sich Guyetus ein, seine Worte sorgsam abwägend, um noch genügend Atem für die Wanderung zu haben, die wohl recht lange währen sollte. »Die römische Kirche hätte Galileo angeklagt, indem sie sich die Ideen der Protestanten aneignete. Na und? Das gereicht der Kirche ja nicht gerade zur Ehre, im Gegenteil! Papst Urban VIII. hat Galileo einfach den Prozess gemacht und ihn genötigt, den kopernikanischen Theorien abzuschwören, indem er Argumente benutzte, die auf Luthers Mist gewachsen waren. Wirklich kühn!«
    »Während des Prozesses gegen Galileo«, erwiderte Schoppe sofort, »tat Urban VIII. alles, damit Kepler, ein weiterer Anhänger des Kopernikus, einen Lehrstuhl in Tübingen bekam. Dann segnete er die neu gegründete Fakultät für Naturwissenschaften im spanischen Salamanca, |424| wo Kopernikus’ Lehre unterrichtet wurde. Du siehst also, mein lieber Guyetus, dass der Papst absolut nichts gegen die Idee hatte, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Im Gegenteil.«
    »Unsinn!«, rief Naudé aus. »Dann erklär uns doch, ob es stimmt,

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