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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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hatten) war das Risiko praktisch gleich null.
    »Wenn ihr alles hinter dem Rücken der anderen machen wollt, warum habt ihr mich dann geweckt? Ach so, jetzt verstehe ich«, sagte Kemal mit einem Blick auf meine und Hardouins Arme, die etwa halb so dick waren wie die seinen.
    »Wir brauchen einen Seefahrer. Der Secretarius und ich verfügen nicht über die Kraft und Erfahrung eines Matrosen«, sagte Hardouin. »Aber zu dritt können wir das Boot gut lenken: zwei Schwache auf einer Seite, ein Starker auf der anderen. Wir laufen kaum Gefahr, von Ali Ferrarese oder anderen Korsaren entdeckt zu werden, das Boot ist zu klein, von weitem sieht man es nicht. Trotzdem hält es sich gut auf dem Wasser, vor allem bei günstigem Wetter. In Livorno werden wir das französische Konsulat benachrichtigen und ein Schiff auf die Insel schicken lassen, um den Rest der Gruppe zu holen, der unterdessen auf Gorgona bleibt, ohne sein Leben zu riskieren. Aber das alles muss schnell geschehen und heimlich. Heute Nacht holen wir das Boot und |473| reparieren es, morgen früh stechen wir in See, bevor Schoppe, Naudé, Guyetus oder andere sich wieder darüber in die Haare geraten, wer das Recht hat, als Erster die Insel zu verlassen oder ob das Boot überhaupt losfahren kann und so weiter. Kein Wort zu den anderen: je weniger wir sind, desto besser. Sobald wir heute Nacht zurückkehren, verstecken wir das Pech, den Hanf und die anderen Sachen, damit sie keiner findet.«
    Kemal sah mich zögernd an. Ich erwiderte den Blick und forderte ihn mit einer Geste auf, seine Meinung zu sagen.
    »Na gut, aber … Kalfatern ist kein Kinderspiel«, warnte er. »Wir können es probieren, aber ich garantiere nicht für den Erfolg. Es hängt vom Zustand des Bootes ab. Erst müssen wir es an Land ziehen, zu dritt dürfte das möglich sein, wenn es noch an den Felsen liegt. Wenn nicht, versuchen wir es mit dem Seil heranzuholen. Wenn wir Glück haben, müssen wir das Pech nicht einmal anzünden, es wird genügen, den Hanf mit Hammer und Meißel fest zwischen die Planken zu drücken. Nasses Holz dehnt sich aus und drückt gegen den Hanf, der die Risse stopft. Heute Nacht herrscht ein prächtiger Vollmond, darum werden wir recht schnell vorankommen. Was mir Sorgen macht, ist nur das Kalfatern. Betet zu eurem Gott, ihr beiden Nazarener: wenn wir einen Fehler machen, sind dies die letzten Stunden, die ihr auf dieser Seite des Grabens verbringt.«

DISKURS LXXIII
    Darin man sich im Mondlicht auf den Weg macht.
    Verstohlen marschierten wir durch die kalte, vom Mond fast taghell erleuchtete Nacht von Gorgona. Derselbe Mond hatte kurz zuvor den wunderlichen Liebesakt zwischen einem falschen und einem echten Kastraten beobachtet. Auf dem Rücken trugen wir Eimer, Seile, Pech, Utensilien zum Feuermachen und andere nötige Werkzeuge. Von Schoppe, Naudé und Guyetus und ihren fortwährenden Scharmützeln befreit zu sein, die jede Wanderung so langsam machten wie das Schleichen einer Schnecke über ein Salatblatt, stimmte uns fast euphorisch. Im Wald entzündeten wir zwei Fackeln aus Ästen und mit |474| Pech bestrichenen Lumpen, die unseren Weg großzügig erhellten. Mit diesem schnellen Schritt würden wir schon bald aus dem Wald herauskommen, um dann auf dem Weg weiterzugehen, der am Kamm der Klippe entlanglief.
    Wie zwei Luchsaugen warfen die Fackeln ihren Schein durch den Wald und zeichneten aus den aschgrauen Umrissen der Büsche und Bäume ein lustig wechselndes Schattenspiel. Jeder Winkel des Waldes schien sich mit unförmigen Kobolden zu bevölkern, die um uns herumtanzten.
    »Das ist richtiges Wandern!«, sagte Kemal gut gelaunt. »Ich hatte eure Freunde, diese zänkischen Alten mit ihrem verrückten Geschwafel, gründlich satt. Fast kann ich nicht glauben, dass jemand ein Lösegeld auf ihren Kopf zahlen würde. Möge Allah alle Papierfetzen verfluchen, die sie auf dieser Insel finden, mitsamt ihren Geschichten voller Toten und Schweinereien, die nur euch Nazarenern so wichtig vorkommen: der Papst, dieses Schwein Petronius, Galileo Galilui …«
    »Galileo Galilei!«, verbesserte ihn Hardouin. »Aber du hast recht, mein Freund, man kann auch sehr gut leben ohne die Geschichtchen, um die Schoppe und die anderen sich immer wieder streiten. Nur eines ist wichtig, und es ist wichtig für alle Menschen auf der Welt, auch für Leute wie dich. Bouchard hatte es begriffen.«
    »Und das wäre?«, fragte der Korsar misstrauisch.
    »Der Schlüssel zur Zeit.«
    »Stimmt.« Ich

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