Das Mysterium der Zeit
des Grabes zu, das wir gerade so tölpelhaft und vergeblich entweiht hatten. Er wartete nicht einmal auf uns, und schon kehrte er zurück.
»Schnell! Gebt mir etwas, um sie festzuhalten!«
»Grässlich!«, riefst du beim Anblick der haarigen Wesen aus, die er in den Händen hielt. »Sogar Fledermäuse tut man in Schweden in die Pfanne?«
»Fledermäuse sind, um genau zu sein, eine Spezialität in Norwegen und Finnland«, beschied er dir knapp.
Das ungewöhnliche Wildbret, mit dem wir von unserer angeblichen nächtlichen Jagd zurückkehrten, rief Entsetzen und Ekel bei allen hervor, oder fast bei allen.
»Tja, der Zweck ist gleichermaßen erreicht: niemand von euch hat noch Hunger, haha!« Mit diesen Worten packte Kemal die Fledermäuse und drehte vor unseren Augen einer nach der anderen ohne viel Federlesens den Hals um.
Das war nicht verwunderlich, immerhin war Kemal der Statthalter des berüchtigten Ali Ferrarese, der sogar das Ohr eines Galeerensklaven abgebissen und gegessen hatte.
Der Korsar ließ sich eines seiner Messer geben, und nachdem er die Fledermäuse mit einer Geschicklichkeit gehäutet hatte, die auf eine gewisse Erfahrung schließen ließ, legte er sie in einen Topf auf dem Feuer.
»Mit Rotwein gekocht und mit ordentlich Knoblauch pikant gewürzt, sind diese fliegenden Mäuse durchaus schmackhaft. Die Eingeweide hänge ich in den Kamin, so trocknen sie und werden geräuchert. Sie haben einen starken, süßen Geschmack und eigenen sich vortrefflich als Beigabe auf Waldkräutern. Aber sie müssen wirklich gut austrocknen und alle Säfte verlieren.«
|467| DISKURS LXX
Darin man betrübt zu Bett geht.
Die vielen unvorhergesehenen Zwischenfälle während des Marsches zur Piana dei Morti hatten unseren Zeitplan gehörig durcheinandergebracht. Es war viel zu spät, um zur Torre Vecchia zurückzukehren, wir schicken uns also an, die Nacht in dem baufälligen Heim der drei Bärtigen zu verbringen. Immerhin bestand noch die, wenngleich schwache, Hoffnung, dass die drei früher oder später wieder auftauchen würden und mit ihnen die Tasche mit dem
Satyricon
des Petronius.
Die Stimmung war, gelinde gesagt, trostlos. Wir richteten uns in den drei mit einem primitiven Ofen ausgestatteten Schlafzimmern ein, wo wir aber nur kärgliche Strohlager und ein paar Decken voller Flöhe fanden. Schoppe wählte das Zimmer von Kemal, Guyetus tat es ihm nach. Ich nahm ein Zimmer mit dir, in der Hoffnung, Barbara würde zu dir kommen und mir so eine Gelegenheit geben, ihren Sack zu untersuchen. Während ich auf sie wartete, versuchte ich mich zu erinnern: hatten wir je gesehen, was der Sack enthielt? Als Alis Korsaren uns durchsucht hatten, hatten sie Barbellos Sack betastet, während sie, von Kopf bis Fuß zitternd, erklärte, er enthalte Bekleidung aus Leder. Doch sie hatte den Inhalt nicht hervorgezogen, und die Korsaren hatten auch nicht in den Sack hineingeschaut.
Überrascht und enttäuscht sah ich, wie Hardouin sich auf das Lager der venezianischen Sängerin legte. Barbara Strozzi hatte unerwartet die Gesellschaft von Naudé und Malgigi gesucht. Ich fragte mich, ob eure Beziehung womöglich schon Rost angesetzt hatte.
Mein letzter Gedanke galt Guyetus. Er war den ganzen Abend über nicht ins Haus gekommen, hatte nichts gegessen, mit niemandem gesprochen und es abgelehnt, die Piana dei Morti zu erkunden. Er hatte sich in ein mürrisches, apathisches Schweigen verschlossen und reagierte kaum auf Fragen oder Bitten. Das Verschwinden der drei mysteriösen Bartträger, die den Petronius bei sich hatten und unter denen sich vielleicht Philos Ptetès verbarg, hatte ihn in eine solche Niedergeschlagenheit versetzt, dass sich unmöglich vorhersagen ließ, was daraus erwachsen würde.
»Seltsames Volk, diese Philologen«, hattest du bemerkt.
|468| DISKURS LXXI
Darin man die Fähigkeiten der Frauen erlebt, unter den schwierigsten Umständen wachsam zu bleiben.
Schon nach wenigen Minuten schnarchte die ganze Gruppe vernehmlich. Die Wanderung und die meistenteils bitteren Gefühlserregungen des Tages hatten alle erschöpft. Nur meine Wenigkeit wurde von der unzertrennlichen Gefährtin vieler Nächte, der guten alten Schlaflosigkeit, unterhalten.
Doch diesmal war sie willkommen. Ich hatte mir nämlich vorgenommen, leise in das Zimmer zu schlüpfen, wo Barbara schlief, um einen Blick in ihren geheimnisvollen Sack aus Wachsleinen zu werfen. Während ich wenigstens eine halbe Stunde allgemeinen Schlummerns abwartete,
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