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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Gruppenarbeit, zieht es vor, sich als
sidereus nuncius
zu präsentieren, als »himmlischen Botschafter«, wie der Titel eines seiner Hauptwerke lautet, und erklärt, seine Arbeit sei direkt vom Schöpfer inspiriert. Doch der Gott der astronomischen Forschung versäumt es, sich wissenschaftlich auf dem neuesten Stand zu halten: Er liest nur die Bücher, die man ihm als Geschenk nach Hause schickt, während seine Kollegen sich jedes Jahr gierig auf den Katalog der |513| Frankfurter Buchmesse stürzen und für Neuigkeiten alles tun würden. Trotz seines schwierigen Charakters und der Schranke, die er zwischen sich und der Welt errichtet hat, steht er mit Diodati in fortwährendem Kontakt. 1626, sechs Jahre nach dem ersten Brief, kommt es sogar zum Besuch: Der französische Freund reist nach Florenz und bleibt ganze zwei Wochen im Hause des Genies. Dabei hat Galileo sich bei anderen berühmten Besuchern krank gestellt oder ihnen nur wenige Minuten gewährt!
    Der Vater der modernen Wissenschaft steht vor einem Wendepunkt. Er hat begonnen, das Werk zu schreiben, das ihn in Konflikt mit der Kirche bringen wird: den
Dialog über die zwei hauptsächlichsten Weltsysteme
. Noch heißt die Schrift allerdings
Dialog über den Fluss und den Rückfluss
, ein abstruser Titel, der auf die Gezeiten anspielt. Den endgültigen, viel aussagekräftigeren und besser verkäuflichen Titel, der auf den kosmologischen Inhalt und seine beiden »hauptsächlichsten Systeme«, das kopernikanische und das ptolemäische, zielt, wird es von Galileos Freund Kardinal Maffeo Barberini, dem späteren Papst Urban VIII. erhalten, also ausgerechnet von dem Mann, der beschuldigt werden wird, Galileo und den Fortschritt des Denkens aufgehalten zu haben.
    »Gerüchten zufolge sollen Galileo und Diodati in den 13 Tagen, die sie zusammen verbrachten, über ›verschiedene Geheimnisse der Natur‹ gesprochen haben«, sagte Naudé, der selbst über diesen nebelhaften Ausdruck lächeln musste.
    Wer weiß, fügte er ironisch hinzu, ob sie auch über die mysteriösen Methoden gesprochen haben, mit denen Diodati, ein einfacher Anwalt, der nie etwas veröffentlicht hatte, die Gelehrten halb Europas zu beeinflussen wusste.
    Sprachen sie auch über ein gemeinsames Projekt? Wenn es so war, blieb es streng geheim, da beide kein einziges Wort über die Begegnung verloren. Sieben Jahre später, nach dem Zusammenstoß mit dem Papst und der Verurteilung Galileos durch das Heilige Offizium, wird Diodatis Rolle plötzlich ungeheuer wichtig. Mit allen verfügbaren Mitteln macht er den Fall öffentlich, er wirbt Verleger, kontaktiert Übersetzer, wird zum persönlichen Agenten des Wissenschaftlers. Galileo, in Rom besiegt, wird überall auf der Welt triumphieren. Ende 1634, ein Jahr nach dem Widerruf, erhält die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft wie durch blitzschnelle Ansteckung Kenntnis davon. |514| Diodati wirkt als Filter und Koordinator eines ganzen Heeres von Bewunderern, Nachfolgern und Verteidigern, die die Nachricht ihrerseits wie ein Schwungrad in der gesamten Gelehrtenrepublik verbreiten: Paris, Leiden, Lyon, Straßburg, Antwerpen … Ein vatikanisches Verbot ist im protestantischen Europa die beste Werbung.
    Galileo und Diodati wissen genau, dass die Drucker im lutherischen und calvinistischen Europa sich seit langem mit vollen Händen bei den von der Inquisition indizierten Büchern bedienen, um ihre Kataloge zu bereichern – denn nichts fasziniert die Leser mehr als ein verbotenes Buch.
    Die Verkaufszahlen von Galileos Büchern sprengen alle Maßstäbe. In Deutschland hat der Philologe Bernegger, der Galileo ins Lateinische übersetzt, seit dreißig Jahren stapelweise alte Werke Galileos auf Lager liegen. Als der Skandal ausbricht, klebt er ein neues Datum auf den Einband, um den Anschein zu erwecken, es handle sich um eine Neuausgabe, und überschwemmt damit die Buchhandlungen. In Holland setzen Galileos Verleger, die Elzevier, die von dem Werk
Unterredung und mathematische Demonstration über zwei neue Wissenszweige die Mechanik und die Fallgesetze betreffend
nur wenige Exemplare verkauft hatten, die Druckerpresse in Gang. Dennoch kommt das Interesse nicht von der Masse der Leser, sondern wird von schlauen, beharrlichen Aktionen weniger Personen gesteuert. Würde Diodati nicht hinter den Kulissen Druck machen, gäbe es Galileos Erfolg nicht.
    Während Naudé sprach, wechselten du und ich verstohlen amüsierte Blicke. Wir hatten denselben Gedanken: Schoppe

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