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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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Freunde, Verwandte und Briefpartner, aus jeder Stadt konnten sie sich in kürzester Zeit Informationen beschaffen. Als Finanziers liehen sie dem König Geld, als Juristen kontrollierten sie die höchsten Staatsgeschäfte, als Prediger rüttelten sie die Gewissen auf und überwachten die Lehre (einer von ihnen hatte die berühmte Diodati-Bibel gedruckt, die am weitesten verbreitete in Europa). Sie machten Geschäfte unter Brüdern, sie verheirateten sich unter Cousins, sie schützten sich unter Onkeln und Neffen und vermehrten ihren Reichtum ausschließlich innerhalb der Familie. Dies war die calvinistische Internationale, stolz auf ihre Unabhängigkeit, erbarmungslos in ihren Methoden, um die Zukunft bangend.
    Elias Wissensdurst war unauslöschlich. Während er Jura studierte, um Anwalt zu werden, korrespondierte er mit den Gelehrten aller Länder über alle Themen. Er interessierte sich für griechische und lateinische Philologie, sammelte Bücher über Reisen in exotische Länder, Orientalistik und jüdische Traditionen, er kannte die Diskussionen über den Blutkreislauf und die Augenbewegungen unter Anatomen und die unter Jesuiten über den Magnetismus, er war bewandert in Optik, Geographie, Ethologie und Mineralogie. Doch die Astronomie weckte das größte Interesse in ihm, und er begeisterte sich für die Chronologie.
    Als die Religionskriege in Europa wüteten, hofften seine Verwandten, der Konflikt möge auf Italien und die verhasste römische Kirche übergreifen, um ihre Grundlagen zu erschüttern. Sie beteiligten sich an antikatholischen Operationen. Elia war schlauer und blieb Pazifist. Er predigte Toleranz, Freundschaft und Verständnis. Vielleicht hatte er begriffen, dass er der Sache am besten dienen konnte, wenn er über den Parteien stand und für die Gelehrtenrepublik arbeitete. So würde er unzählige Freunde haben und, wenn er aufpasste, keinen wirklichen Feind. Er fungierte als Verbindungsglied zwischen Gelehrten, als Botschafter zwischen Dozenten, Schriftstellern, Philologen und Astronomen. Dank des familiären Netzwerks aus Verwandtschaften und Freundschaften in ganz Europa war es ein Leichtes für ihn, Informationen zu erhalten, Kontakte herzustellen, Gastfreundschaft zu gewähren, Referenzen auszustellen. Er veröffentlichte keine eigenen Schriften, er war auf kein Fach spezialisiert. Er ließ die anderen schreiben: |510| ermutigte, beriet, finanzierte Ausgaben, sorgte für Übersetzungen. Er stammte aus einem eher bigotten Umfeld, zog aber die Gesellschaft von Skeptikern vor, wie seine Freunde von der Tetrade. Dank der Reichtümer seiner Familie musste er nicht arbeiten, Zeit und Energie besaß er im Überfluss.
    »Elia glaubte an die Kraft der Bücher, und ihre Kraft war die seine. Er wusste, dass Ideen mit der Zeit sogar Steine aushöhlen und mehr Macht verleihen können als Waffengewalt«, sagte Naudé.
    Darum rümpfte er die Nase, als die lokalen Machthaber der Schweizer Region Graubünden, seine Religionsbrüder, durch eklatanten Machtmissbrauch Aufstände und Unruhen provozierten. Er wollte, dass diese Gegend, ein strategischer Verkehrsweg zwischen Nord- und Südeuropa, friedlich blieb. Er hatte begriffen, dass der Schlüssel zur Zukunft nicht der Krieg, sondern die Kommunikation war. Seine Aufgabe war nicht das Handeln, er wollte es erleichtern.
    »In Friedenszeiten dringt Propaganda unter dem Deckmantel der Wissenschaft tiefer in die Herzen. Wer Wissen verbreitet, scheint im Dienst der Menschen zu stehen, auch wenn er danach trachtet, sie sich nach und nach zu Sklaven zu machen«, sagte Mazarins Bibliothekar.
    Zahllose bedeutende Geschäfte gingen heimlich durch Diodatis Hände und die seiner Kreise. Sie unterstützten den venezianischen Mönch Paolo Sarpi, der Schmähschriften gegen die katholische Kirche schrieb. Zwei Bücher von Sarpi wurden von Elia in Genf veröffentlicht, ein drittes erschien mit Hilfe eines Cousins in London.
    »Was er auch anfing, konnte er zu Ende führen. Wenn er seine Fähigkeiten in den Dienst des Guten gestellt hätte, lebten wir heute im Paradies«, sagte Naudé mit einem halb seraphischen, halb bitteren Lächeln.
    Naudés Verachtung für Diodati brachte ihn dazu, uns die Wahrheit über ihn zu berichten, nicht ohne Zögern freilich, wegen des einst geteilten Credos der
Deniaisez
und der gemeinsamen Zugehörigkeit zur berühmten Tetrade. Er schien erleichtert, ungehindert, ohne die gewohnte Vorsicht sprechen zu können. Offenbar hatte er keine Bedenken,

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