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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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hatte die Wahrheit gesagt, die Geschichte von den Mäusen, die Galileos Bücher in den Lagern der Buchhändler fraßen, war nicht gelogen. Naudé hatte sie jedoch immer bestritten, um sich gegen den Verehrungswürdigen zu behaupten. Erst jetzt hatte sein Groll gegenüber Diodati ihm die Wahrheit aus der Kehle gelockt.
    Während der sogenannten Gefangenschaft in seiner Villa in der Toskana empfing Galileo Bewunderer aus allen Ländern. Im Ausland erklang das Echo der Appelle zu seinen Gunsten. In der französischen Hauptstadt verstärkte der gelehrte Pater Mersenne seine Bemühungen, dem armen Opfer zu helfen (welches jedoch ärgerlich wurde, wenn Pater Mersenne seine Schilderung der Tatsachen nicht ausreichend mit Einzelheiten schmückte, die für Galileo sprachen). Es wurde sogar geplant, den Wissenschaftler in das ketzerische Holland |515| emigrieren zu lassen, wo er sich ungestört seinen Studien hätte widmen können. Galileo lehnte ab, er fühle sich zu alt und müde für ein solches Unternehmen. Auf jeden Fall war er inzwischen mehr als ein Wissenschaftler: ein Symbol. Diodati verglich ihn mit Prometheus, dem ruhmreichen Helden der griechischen Mythologie. Galileo nannte Diodati »meinen über alles geliebten, wahren Freund«. Ruhm lag ihm sehr am Herzen. »Zwei Dinge sind mir wichtiger als alles andere«, schrieb er an den Freund, »das Leben und der Ruf.«
    Tatsächlich gelang es ihm, lang genug zu leben, um seine Rache an Rom auszukosten.
    »Wenn alte Männer Charakter haben, schaffen sie es sogar, nicht zu krepieren«, lachte Naudé, der zwischen dem Wunsch, Galileo zu verteidigen, und dem sehr viel stärkeren Drang, Diodati zu verleudmen, hin und her schwankte.
    Auf Betreiben des Pariser Anwalts war der
Dialog
von einem wissenschaftlichen Werk zu einer Waffe im Krieg geworden. Er behauptet nicht mehr nur eine physikalische Theorie, sondern beweist die blinde Grausamkeit der römischen Kirche, die die
libertas filosofandi
, die Freiheit der Forschung bestraft und das Opfer erpresst. Galileo selbst gesteht der Menschheit jedoch keineswegs das Recht zu, am Wissen teilzuhaben. In einer seiner Schriften, die Diodati herausgegeben hat, zitiert er Platon:
Naturam rerum invenire, difficile, indicare in vulgus, nefas
. »Die Natur der Dinge zu erkennen, ist schwierig, sie dem Volk zu offenbaren, ist verboten.« Schon zur Zeit der Erfindung des Fernrohrs vor einem Vierteljahrhundert hatte er sorgsam darauf geachtet, das Monopol über seine Entdeckungen und Kenntnisse zu behalten. An Herrscher und Adelige, die nichts von Physik und Astronomie verstanden, verschenkte er gerne Kopien des Instruments, nicht aber an Forscherkollegen, die seine Stellung gefährden konnten.
    Jetzt hatte ich verstanden, was Bouchard in seinen rätselhaften Notizen über Galileo und Diodati meinte. Auch wurde mir endlich klar, warum Galileo sich unbedingt von der Kirche verurteilen lassen wollte, wie Schoppe behauptete. Der Plan war von Elia Diodati ersonnen, und es ging darum, die römische Kirche so mit Schmutz zu bewerfen, dass sie sich nicht einmal in Jahrhunderten würde reinwaschen können. Galileo, der sein Leben lang nach Ruhm und Reichtum gestrebt hatte, ohne sein Ziel je wirklich zu erreichen, hatte dem Plan zugestimmt und schließlich bekommen, was er wollte: Als Opfer |516| wurde er endlich berühmt. Sein Pech war, dass ihm das erst im Alter gelang, weil sein Freund Maffeo Barberini, der spätere Papst Urban VIII., sich fast zwanzig Jahre lang geweigert hatte, Galileo von der Inquisition verurteilen zu lassen. Erst als dieser den Papst vor der Welt der Kultur und Politik persönlich angriff, indem er dessen Ideen einem Idioten in den Mund legte, sah der enttäuschte Papst Urban VIII., der von dem schmutzigen Spiel Galileos und Diodatis nichts ahnte, sich gezwungen, den Freund fallenzulassen, der ihn unverständlicherweise
coram populo
lächerlich gemacht hatte. Und Galileo konnte endlich ins Paradies irdischen Ruhms eingehen.

DISKURS LXXVIII
    Darin eine interessante Begegnung stattfindet.
    Unser gemeinsames Desinteresse am Wild, das zu jagen wir vergessen hatten, wurde schließlich bestraft. Urplötzlich stand ein mächtiges Wildschwein vor unserem Terzett. Der Erste, der es sah, warst du, erinnerst du dich, Atto? Ich hörte deinen erstickten Schrei und spürte deine Hand auf meiner Schulter.
    Naudé und ich sahen dich an, und als wir der Richtung deines erschrockenen Blicks folgten, entdeckten wir das Tier, das sich in seiner

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