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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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besichtigen, und dortselbst auf die Jagd zu gehen, als seien sie liebliche Wälder, hihi«, sagte er, mit einer Handbewegung auf das unwirtliche Dickicht weisend, in dem wir uns befanden. Sein nervöses Gelächter erstarb sofort, als er das eher distanzierte Lächeln von Philos Ptetès erblickte. Der ehemalige Kommissar folgte dem Gespräch mit bestürzter Miene.
    Ich hatte verstanden, worauf Naudé hinauswollte.
    »Der Ruf meiner Liebe zu Inkunabeln und vor allem zu alten Handschriftenkodizes«, fuhr er unbeirrt fort, »hat sich allerorts schnell verbreitet, und es heißt von mir, dass ich mich nach Büchern, insonderheit alten Büchern schier verzehre und dass man meine Gunst leichter |521| durch alte, verstaubte Bücher als durch Geld erlangt. Darum lassen meine Bewunderer nicht Gold und Juwelen auf meinen Schreibtisch strömen, sondern abgegriffene Kodizes und schmutzige Faszikel, die meinen Augen und meinem Herzen teuer sind. Für mich öffnen die Menschen die Schränke der berühmtesten Klöster, sperren die Schreine auf, leeren die Laden.«
    »Die Armen«, bemerkte der ehemalige Kommissar.
    Mazarins listiger Bibliothekar nahm diese unhöfliche Bemerkung nicht einmal wahr, so sehr war er auf seine Tirade konzentriert. Er war so schlau gewesen, Philos Ptetès nicht zu gestehen, dass er seinen Ruf nur durch den Brief an Schoppe und Guyetus kannte, denn er musste fürchten, der Mönch würde ihn fragen, ob die beiden anderen Gelehrten auch auf der Insel seien. In dem Fall hätte er sie gewiss sehen wollen, ein Risiko, das Naudé nicht eingehen konnte. Wenn der Mönch (der allerdings keine Kutte mehr trug) Schoppe und Guyetus traf, würde die Wahl eventuell auf einen von ihnen fallen statt auf Naudé.
    Es wäre interessant gewesen zu erleben, was Naudé sich ausdenken würde, wenn sein Gegenüber ihn fragte, woher wir seinen Namen kannten und warum wir ihn hier suchten. Doch der Bibliothekar hatte Glück, die Frage kam nicht.
    »Wo wohnt Ihr?«, fragte der heiß begehrte Mönch.
    »Dort hinten, mit anderen Pers…«, wolltest du sagen, auf die Piana dei Morti weisend, ohne Naudés Absichten zu erraten. Dieser brachte dich mit einem Stoß gegen den Arm, der die Richtung anzeigte, zum Schweigen und rief:
    »Aufgepasst, Signorino Atto, Ihr habt etwas fallenlassen.«
    Während du dich bücktest, um zu suchen, was um alles in der Welt dir aus der Tasche gefallen sein mochte, fing der Bibliothekar wieder an zu sprechen. Naudé hoffte, Philos Ptetès dazu zu bringen, ihm den Schatz von Poggio Bracciolini auszuhändigen, indem er sich in den höchsten Tönen pries und dem Mönch zu verstehen gab, dass ihm auf diesem verlassenen Inselchen keine andere Wahl blieb.
    Als Reaktion auf sein Selbstlob erhielt der Bibliothekar zwar überraschte Ausrufe und Bekundungen der Wertschätzung von Seiten des Mönchs, doch keinen Hinweis auf die Papiere.
    Also dachte Naudé, sein Ruf als einer der gottlosen Starken Geister sei Ptetès vielleicht schon zu Ohren gekommen, und änderte das Register.
    |522| »Meine wahre Leidenschaft sind heilige Texte«, log er dreist. »Ich habe die Ausgabe der Paraphrasen des Paulus-Briefes an Titus betreut, außerdem zahlreiche Schriften über die
Imitatio Christi
, den berühmten Traktat über die Nachfolge Christi, darunter jene von Thomasa Kempis, Michele Costantino, Georgius Heserius, Tommaso Carreo …«
    Naudés Versuche gingen noch eine gute Weile so weiter, eingebettet in eine recht zögerliche Konversation, die keinerlei Fortschritte machte, bis ich mich entschloss, einzuschreiten, nicht zuletzt deshalb, weil Naudé mir fortwährend böse Blicke zuwarf, die Hilferufe bedeuteten.
    »Erlauchter Monsire Naudé«, redete ich ihn mit der Ehrerbietung an, die man dem Großherzog persönlich vorbehalten würde, »gestattet, dass ich die hier anwesenden Signori frage, ob wir sie zu ihrer Wohnstatt begleiten dürfen, um das Gespräch auf dem Weg fortzusetzen …«
    »Oh nein, nein!«, wehrten beide hastig ab. »Wir gehen vorerst nicht nach Hause, da auch wir zur Jagd ausgezogen sind. Wir müssen jetzt auch weiter, sonst wird es zu spät zum Jagen. Doch morgen kommen wir zurück, um Kastanien zu sammeln, dann begleiten wir Euch gerne zu Eurem Haus. Wir sehen uns also morgen zur frühen Stunde, wie heute.«
    »Und das Tier?«, fragtest du unseren tapferen Retter. »In Wahrheit habt Ihr es erlegt.«
    »Das kommt gar nicht Frage! Es war die Vorsehung, die Euch geholfen hat«, sagte der Mann, ganz so, wie man

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