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Das Mysterium der Zeit

Titel: Das Mysterium der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi , Sorti
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erst über die Felsen gerollt und dann ins Meer gestürzt. Gerade als ich ankam, sah ich ihn fallen.«
    »Ein ungeheurer Sturz«, bestätigte Kemal. »Und von dort oben konnte man nicht einmal erkennen, wo das Wasser gegen die Klippen schlägt. Der Körper schwimmt wohl noch dort, aber vom Land aus lässt sich schwer sagen, wo genau. Wir bräuchten ein Boot, um den Küstenabschnitt zu untersuchen.«
    »Wir können uns ebenso gut von ihm verabschieden, lasst uns für seine Seele beten«, sagte Barbara Strozzi und bekreuzigte sich. »Er hat sich zweimal umgebracht: erst erhängt, dann ist er ins Meer gestürzt.«
    »Rutilius Claudis Namatianus hatte recht, als er sagte: ›Wir wundern |541| uns, dass die Menschen sterben? Die Gräber zerfallen, auch die Steine und die Inschriften trifft der Tod!‹«, bemerkte Naudé düster.
    »Das war nicht Rutilius Namatianus, Gabriel, sondern Ausonius«, korrigierte ihn Schoppe ebenso trübsinnig.
    »Wie traurig.« Der Bibliothekar schüttelte verzweifelt den Kopf, ob über Guyetus Tod oder das falsche Zitat, war schwer zu sagen.
    »Vergil dichtete: ›Schon wächst Korn dort, wo einst Troja stand‹«, fügte Schoppe zur Ausschmückung der Trauerstimmung hinzu.
    Pasqualini zog ein Bündel hervor. Er hatte es unweit der Stelle, an der Guyetus in den Tod gegangen war, zwischen zwei Büschen gefunden. Es war die persönliche Habe des Toten: eine kleine Summe Geldes, sein Pass, zwei Schlüssel, eine Notiz über die in Italien getätigten Ausgaben. Der alte Ungläubige musste gedacht haben, dass sie ihm nicht mehr viel nützen würden, egal wohin er sich begab.
    »Fast beneide ich ihn«, seufzte Naudé. »Er hatte eine starke Seele, frei von Todesängsten, jedem Zorn abhold, nichts verlangend, und die harten Arbeiten des Herkules bedeuteten ihm mehr als die Liebeleien und Federkissen auf den Banketten des Sardanapal, wie Martial sagte.«
    »Juvenal«, verbesserte Hardouin.

DISKURS LXXXII
    Darin man sich heimlich zu der Verabredung mit Philos Ptetès begibt.
    Unter dem Vorwand, erneut auf die Jagd gehen zu wollen, waren Naudé, du und ich schon bald auf dem Weg zu dem gestern vereinbarten Ort. Während des Marsches hatte ich die Gelegenheit wahrgenommen, einen schönen Hasen zu schießen, den ich jetzt triumphierend an meinem Gürtel baumeln ließ. Naudé schwieg den ganzen Weg über nachdenklich. Ich konnte nicht ergründen, worüber er grübelte, ob über Guyetus’ Selbstmord oder darüber, dass sein Name überraschend in Bouchards Notizen aufgetaucht war. Er schien etwas sagen zu wollen, als das Unerwartete geschah.

    Alles spielte sich in wenigen Sekunden ab, nicht einmal wir verstanden genau, wie.
    |542| Im selben Moment, in dem wir Philos Ptetès und den ehemaligen Kommissar beim Kastaniensammeln im Wald erblickten, spürten wir, wie der kalte Lauf von Hakenbüchsen einen eisigen Kreis auf unsere Wangen zeichneten.
    »Hände hoch, Nazarenerhunde!«, hörten wir schreien, während Philos Ptetès und sein Gefährte die Kastanienkörbe mit einem Laut des Erschreckens zu Boden fallenließen.
    Vor uns standen vier Individuen mit gezückten Waffen und einem äußerst grimmigem Gesichtsdruck. Aus der Art und Weise, wie sie uns angesprochen hatten, konnte man schließen, dass es sich um Korsaren handelte.
    »So, ihr sammelt Kastanien, was? Verfluchte Kerle!«, knurrte einer der vier, hob den Kolben seiner Hakenbüchse und stürzte sich auf den ehemaligen Kommissar.
    Naudé legte sich entsetzt eine Hand vor die Augen, um den tödlichen Stoß der Büchse gegen den Nacken des Armen nicht sehen zu müssen. Stattdessen ließ der Korsar den Kolben seiner Waffe auf den Fuß des ehemaligen Kommissars niedergehen, mit dem weniger grausamen Ergebnis, dass das Opfer im Kreis herumsprang und ein langanhaltendes Schmerzensgeheul ausstieß, in welches sich das Gelächter der vier Angreifer mischte.
    »Nehmt sie, die Kastanien gehören Euch! Aber habt Erbarmen mit uns!«, rief Philos Ptetès, wobei er auf die Knie fiel und mit beiden Händen ein Häufchen Kastanien darbot.
    »Erbarmen! Erbarmen!«, echote der andere und kniete ebenfalls eilig nieder.
    »Kastanien sind Schweinefraß!«, rief einer der vier. Er schlug dem Knienden auf die Hände, sodass die kleinen Früchte zu Boden fielen, während sein Genosse einem Sack, den Philos Ptetès auf dem Rücken trug, einen kräftigen Tritt versetzte, worauf der Mönch mit dem Gesicht voran in die fauligen Blätter stürzte.
    Die anderen zielten auf uns,

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